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Deine Spuren im Sand

Deine Spuren im Sand

Titel: Deine Spuren im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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strahlende Lächeln, auf das er augenscheinlich schon lange wartete. »Wollen Sie Urlaub auf Sylt machen? Oder müssen Sie aus beruflichen Gründen auf die Insel?«
    »Ich will meinen Vater besuchen, der auf der Insel lebt.«
    »Sie sind ein Sylter Junge?« Ich sah ihn scharf an. Kannte ich Alex Traum etwa von früher? War er ein Nachbarsjunge, ein Mitschüler gewesen, den ich nicht auf Anhieb erkannt hatte?
    Aber er schüttelte den Kopf. »Ich bin auf Sylt immer nur in den Ferien zu Besuch gewesen. Die übrige Zeit habe ich in einem Schweizer Internat verbracht.« Er zog seine Brieftasche hervor und entnahm ihr ein Foto. »Dieses Haus hat mein Vater von seiner Tante geerbt. Als sie noch lebte, haben wir dort die Ferien verbracht. Nach ihrem Tod wollte mein Vater unbedingt, dass wir ganz nach Sylt zogen. Obwohl er dafür seine Praxis in Hannover aufgeben musste. Aber er hatte Glück. Ein Sylter Kollege wollte seine Praxis aus Altersgründen verkaufen, und mein Vater konnte sie übernehmen.«
    Ich betrachtete das Foto mit höflichem Interesse. Ja, das Haus kannte ich. Es lag in der Nähe von Maiks Restaurant. Von der Familie Traum hatte ich allerdings nie etwas gehört.
    Alex schien freundliche Worte zu erwarten, also versicherte ich ihm, dass das Haus sehr hübsch sei und ich nicht verstehen könne, dass er das Schweizer Internat einem Inselgymnasium vorgezogen hatte.
    Heute war er geneigt, das auch so zu sehen. »Aber damals fiel es mir schwer, die Freunde aufzugeben, die ich im Internat hatte.«
    Dann erzählte er in aller Ausführlichkeit von jedem einzelnen dieser Freunde. Der eine war Sohn steinreicher Eltern gewesen, der Vater eines anderen war Schauspieler, die Mutter des nächsten eine berühmte Sängerin gewesen …
    An mir rauschten seine Worte vorbei, ohne dass ich sie aufnahm. Nicht nur, weil mich Alex Traums Erinnerungen nicht sonderlich interessierten, sondern vor allem, weil seine Brieftasche offen neben ihm liegen geblieben war, nachdem er das Foto zurückgesteckt hatte. Ich sah darin die obere Kante seines Personalausweises, seines Führerscheins, seiner Versichertenkarte und … seinen Presseausweis. Ich hatte also einen Vertreter der schreibenden Zunft vor mir, einen dieser unangenehmen Journalisten, einen Paparazzo, einen Sensationsreporter, einen schmierigen Schreiberling, der sich über die Intimitäten anderer Menschen hermachte, um daran zu verdienen. Das war das Allerletzte, was ich gebrauchen konnte!
    Hatte er meine Nähe gesucht, weil er mich erkannt hatte? Wollte er sich unauffällig an mich heranmachen? Mich in Sicherheit wiegen, indem er sich harmlos und einfältig gab, um dann geduldig auf seine Chance zu warten? Wenn das so war, musste ich ihn schleunigst loswerden.
    Aber wie? Sein Wagen stand in der Fahrspur direkt hinter meinem, er würde also auch direkt hinter mir auf den Autozug rollen und in Westerland direkt hinter mir wieder herunter. Es würde nicht leicht sein, ihn abzuschütteln.
    Zum Glück knatterte in diesem Moment der Lautsprecher los. Eine gelangweilte Stimme verkündete, dass man in Kürze mit dem Verladen der Fahrzeuge beginnen wolle. Sämtliche Fahrgäste wurden zu ihren Autos gebeten.
    Ich sprang auf, raffte die beiden Brötchen vor meine Brust und schob mir in aller Eile so viel Krautsalat in den Mund, wie reinging. Mit vollen Backen und eindeutigen Gesten gab ich Alex Traum zu verstehen, dass es mich freute, ihn kennengelernt zu haben, dass sich unsere Wege nun jedoch leider trennen mussten.
    »Wo steigen Sie ab?«, rief er hinter mir her. »Wir könnten uns ja mal auf ein Bier treffen.«
    Mit einem kurzen Schulterzucken gab ich vor, dass seine Worte mein Ohr nicht erreicht hatten, dann war ich am Ausgang angekommen und rettete mich an die frische Nordseeluft, in der es immer eine Bö gab, die genau das mit sich reißen konnte, was man nicht bei sich haben wollte. Zum Beispiel die bedrückende Einsicht, dass Alex Traum mein Tablett entsorgen musste. Ich konnte durchs Fenster sehen, wie er unsere beiden Tabletts aufeinander stellte und darauf alles stapelte, was von unserem Imbiss übrig geblieben war. Ich hatte wohl zu lange in Restaurants mit hervorragendem Service gespeist und dabei völlig vergessen, dass man in einem Imbiss mit Selbstdienung das benutzte Geschirr eigenhändig zurückzubringen hatte.
    In diesem Augenblick tat mir Alex Traum trotz meines frisch aufgebrochenen Misstrauens leid. Er hatte wahrlich nicht viel Freude an mir gehabt. Genau genommen war

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