Deine Spuren im Sand
Arzt sich unterstanden hatte, ihm heute eine Mahnung zu schicken, machte das Maß voll. Niemand verstand ihn! Nicht einmal seine Mutter! Es gab keinen Menschen, der einsah, dass es Berno wirklich schlechtging. Heute noch schlechter als sonst.
Irgendwie verstand er sogar, dass Emily ihm nicht glaubte. Alles sprach ja gegen ihn! Und wenn er auch am Anfang noch gehofft hatte, der Wahrheit auf die Spur zu kommen, damit Emily wieder darauf vertrauen konnte, dass er der anständige Kerl war, für den sie ihn bisher gehalten hatte, so hatte er mittlerweile aufgegeben, den wahren Schuldigen zu finden. Es war vorbei! Irgendjemand hatte ihn reingelegt, und er hatte keine Ahnung, wer! Hatte er Feinde? Nein, er war beliebt in der Redaktion und beliebt in seinem Bekannten- und Freundeskreis. Dennoch musste es jemanden geben, der ihm das Glück mit Emily nicht gönnte. Aber wer? Diese Frage konnte er bis heute nicht beantworten. Inzwischen war aber eine andere Frage für ihn noch wichtiger geworden: Wer hatte die Möglichkeit gehabt, an seine Dateien zu kommen, die mit einem Passwort gesichert waren? Und vor allem: Wie hatte derjenige das geschafft? Berno war ratlos.
Den vergangenen Abend hatte er in seiner Stammkneipe gesessen, wo er mittlerweile den größten Teil seiner Freizeit verbrachte, dort, wo der Wirt seine Wünsche kannte und ihm ungefragt das richtige Bier vorsetzte, in dem er seinen Weltschmerz ertränken konnte. Jeden Abend aufs Neue! Dabei wusste er an jedem nächsten Abend, dass er am Vorabend nicht weitergekommen war, dass sein Kummer noch genauso frisch und lebendig war wie zuvor. Er kam einfach nicht darüber hinweg, dass seine Liebe gescheitert war. Und dass Emily ihn für einen Egoisten, einen Betrüger, einen geldgierigen Schreiberling hielt, der sie ausgenutzt hatte, darüber kam er am allerwenigsten hinweg.
Ein freies Wochenende lag vor ihm. Dabei hasste er nichts mehr als freie Zeit, die sich unweigerlich mit den Erinnerungen an Emily anfüllen würde. An ihren Namen, ihr Lachen, ihre tiefe, warme Stimme, an die vielen Heimlichkeiten, die sie verbunden hatten, an das unbändige Vergnügen, wenn sie mal wieder allen ein Schnippchen geschlagen hatten, die ihr Geheimnis nicht kannten.
Berno sah auf die Uhr, als er das Telefon hörte. Es hatte schon häufig geklingelt, zum ersten Mal gegen acht, dann in kurzen Abständen immer wieder. Aber Berno pochte auf seinen freien Samstag. Er hatte keinen Dienst! Er wollte seine Ruhe haben!
Er fühlte sich wie gerädert, und das lag nicht nur daran, dass er erst gegen vier Uhr morgens nach Hause gekommen war. Das lag vor allem daran, dass er zu viel getrunken hatte. Er musste aufhören damit. Aber immer, wenn er in seine Kneipe kam, schien alles ein bisschen einfacher zu werden. Deswegen würde er vermutlich auch am folgenden Abend wieder vor der Theke erscheinen. Die Kneipe war genau richtig. Hier war er willkommen, er musste nie erklären, warum er traurig, wütend oder deprimiert war. Dass er reichlich konsumierte und sein Bier bezahlen konnte, sicherte ihm ein gewisses Interesse an seiner Person zu, aber darüber hinaus war alles wunderbar unverbindlich. Der Wirt kannte ihn zwar gut, aber zum Glück nicht gut genug, um zu wissen, dass sein Kummer gestern Abend besonders schwer gewogen und er deshalb besonders viele Biere gebraucht hatte, um ihn zu vergessen. Freitagsabends lief die Talkshow, die er sich gern ansah, und er hatte in der Fernsehzeitschrift gelesen, dass auch die populäre Sängerin Emily Funke eingeladen war. Er wusste, dass er es nicht ertragen würde, sie auf dem Bildschirm lachen und plaudern zu sehen, deswegen war er trotzdem in die Kneipe gegangen. Aber da er es genauso wenig ertrug, sie nicht lachen und plaudern zu sehen, hatte er vorsichtshalber den Videorecorder angestellt, ehe er aufgebrochen war.
Emily wurde häufig zu Talkshows eingeladen. Sie war beliebt, attraktiv und außerdem so schlagfertig und witzig, dass es ihr immer gelang, eine Gesprächsrunde zum Lachen zu bringen. Ein Potential, das alle Talkmaster liebten! Promis wie sie wurden mit Einladungen zu Talkshows überhäuft, und Emily musste bereits aufpassen, dass sich ihr Image nicht abnutzte.
So war es jedenfalls noch vor einigen Monaten gewesen. Dann aber hatte sie sich von Berno getrennt, und damit schien sie das Glück verlassen zu haben. Nein, Berno bildete sich nicht ein, dass er für Emilys Glück verantwortlich war, so größenwahnsinnig war er nicht. Aber Tatsache
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