Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
konnte. „Könntest du vielleicht auch versuchen, Andrew umzustimmen, Maggie?“ bat er und wusste gleichzeitig, wie vergeblich seine Bitte war.
„Das ist vermutlich sinnlos, Nick, ich habe ihn schon in ähnlichen Situationen erlebt. Er hat sich die Sache in den Kopf gesetzt, ohne Rücksicht auf Verluste, und er wird sich nicht davon abbringen lassen – es sei denn, Marina sage nein. Das ist die einzige Möglichkeit.“ Aber heute war nichts mehr zu machen, das war ihnen beiden klar; sie wünschten sich eine gute Nacht.
Nick war ruhelos, er lief wie ein eingesperrter Tiger durch seine Wohnung, trank einen Whisky, legte die letzte CD von Queen ein und stoppte sie wieder, als Freddy Mercury den Titel 'Too much love can kill you' sang. Er zog seine dicke alte Gartenjacke an, nahm Mütze und Handschuhe und öffnete die Tür. Es schneite ganz leicht und ein eisiger Wind pfiff um die Hausecke. Auch gut, dachte er, dann friere ich eben, ist ja eh alles egal.
Mit gesenktem Kopf lief er durchs Quartier, sah nichts, hörte nichts, grüsste keinen, der an ihm vorbeiging. Seine Gedanken drehten sich in immer engeren Kreisen, bis er laut aufstöhnte. Er hielt es kaum aus, nichts tun zu können; normalerweise gab es in seinem Leben keine Situationen, in denen er nur abwarten konnte. Ein Macher wie er wusste immer, was zu tun war, wie er ein Problem anpacken musste, um es in Richtung einer Lösung voranzutreiben. Tatenlos zusehen zu müssen, wie Marina sich aus seinem Leben verabschiedete, das war unerträglich.
Er beschloss, zuerst nochmals Angela anzurufen und sich dann mit Whisky zu betäuben. Er befand sich damit in illustrer Gesellschaft: seine Kollegen Harry Hole aus Oslo und John Rebus aus Edinburgh taten genau das, wenn ihnen ihr Privatleben zu entgleiten drohte.
„Gody sagt, wir sollen dich in Ruhe lassen“, sagte Angela vergnügt, „aber es gibt gewisse Dinge, die ich mir nicht vorschreiben lasse. Wie geht es dir?“ Es war mittlerweile zehn Uhr nachts; ihre Recherchen waren beendet, und sie hatte Neuigkeiten zu berichten. „Bist du dem Finanzchef von Toggenburger auf den Pelz gerückt?“
„Kein Kommentar“, antwortete Nick trocken. „Hast du die Adresse?“ Er schrieb sie auf. „Gibt es auch eine Telefonnummer?“ Auch die notierte er sich. „Habt ihr sonst etwas Neues?“
Seine Stimme klang alt und müde, Angela vermisste die Energie, die ihr Vorgesetzter unter normalen Umständen an den Tag legte. „Bist du sicher, dass du das wissen willst? Wäre es nicht besser, du gingst einfach schlafen?“
Er antwortete nicht und sie liess ein paar Sekunden verstreichen, bevor sie weitersprach. „Die Schwester von Matossi hat einen Treuhänder erwähnt, den Peter vor ein paar Stunden besucht hat. Er hat ein Testament von Matossi.“
Nick pfiff durch die Zähne,sagte aber nichts.
„Allerdings ist das Ding zehn Jahre alt, und Naef, so heisst der Treuhänder, eröffnet es nur in Anwesenheit von Matossis Schwester. Wir brauchen also noch ein paar Tage Geduld.“ Nick hörte, wie seine Mitarbeiterin in Papieren blätterte.
„Dann habe ich noch einen heissen Tipp von Stefan Schwager erhalten – er lässt dich übrigens schön grüssen und dir ausrichten, er würde gerne noch besser und intensiver mit uns zusammenarbeiten. Er ist ein echtes Schlitzohr, aber irgendwie trotzdem sympathisch. Jedenfalls hat er mir das Jahrbuch 1966 der Alten Kantonsschule mitgegeben, in dem unser Trio mehrmals auf Bildern zu sehen ist, und das eine Menge Informationen über alle Maturanden dieses Jahrgangs enthält. Wir werden morgen Paul Hintermeister mit einigen Fotos konfrontieren und schauen, wie er darauf reagiert. Der Tipp betrifft jedoch eine junge Frau des gleichen Jahrgangs, eine gewisse Patrizia Obrist, die kurz nach dem Abschluss spurlos verschwand und nie mehr auftauchte. Ich habe mir die Akte von damals aus dem Archiv geholt, aber bis jetzt nichts Ungewöhnliches darin gefunden. Dutzende von Leuten wurden befragt, keiner hat etwas gesehen, alle haben ein mehr oder weniger gutes Alibi für die Zeit, als sie verschwand, und niemand hat ein Motiv für eine Straftat. Selbstmord wurde zwar nicht ausgeschlossen, galt aber aufgrund ihrer Frohnatur als unwahrscheinlich. Glaubst du, das Geheimnis der drei Männer, von dem Peter ständig spricht, könnte mit Verschwinden dieses Mädchens zu tun haben?“
„Was glaubst du, was sagt dir deine Intuition?“
Angela hatte gehofft, dass Nick ihr diese Frage nicht stellen würde.
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