Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
Sie war unsicher, neigte aber dazu, den Tod von Matossi in Verbindung mit dem Steueramt zu sehen, genau wie Nick. „Ich kann nicht ausschliessen, dass die beiden Fälle zusammenhängen, aber ich tippe eher auf Toggenburger oder einen anderen Steuersünder. Trotzdem könnte ich morgen Hintermeister darauf ansprechen, vielleicht weiss er etwas.“
„Ja, das ist eine gute Idee. Ihr müsst jede Spur verfolgen, insbesondere wenn ihr das Gefühl habt, Hintermeister lüge euch an. Traust du dir das 'good cop, bad cop'-Spiel mit Peter zu, und habt ihr euch gut vorbereitet?“
„Wir besprechen uns morgen früh noch im Detail, aber die Strategie habe ich mir aufgeschrieben. Hintermeister wird uns mehr erzählen als bisher, das weiss ich. Du wirst wohl kaum dabei sein, so wie Gody uns informiert hat?“ fragte sie mit ein wenig Hoffnung in der Stimme.
„Nein, ich habe so etwas wie Hausverbot bis und mit morgen. Du kannst mich aber jederzeit via Handy erreichen, wenn ihr Hilfe braucht.“
„Das ist gut möglich, danke. Kann ich irgendetwas tun, damit du dich besser fühlst?“
„Nein, leider nicht, aber danke trotzdem. Gute Nacht, und viel Erfolg morgen.“
Er schenkte sich einen Whisky ein, aber die Lust, sich zu betrinken, war ihm vergangen. Er begann, die verschiedenen Ermittlungsstränge dieses Falls zu notieren: einerseits war da die Steuergeschichte mit Adrian Toggenburger, anderseits gab es Paul Hintermeister, der wohl Matossi am nächsten gestanden hatte. Die Verbindung zwischen Hintermeister und Toggenburger war auch nicht zu vernachlässigen, und schliesslich war da noch das Departement Finanzen und Ressourcen, dessen Exponenten Vögtli und König ihre Hand im Spiel hatten.
Je länger Nick arbeitete, desto klarer schien ihm das Motiv: es musste sich um Erpressung oder Bestechung handeln, es gab keine Alternative. Die Bargeldbezüge von Matossi, sein Beruf, seine Hartnäckigkeit, auch seine Unbeliebtheit bei seinen Vorgesetzten sprachen dafür; allerdings war völlig unklar, ob er selbst der Erpresser gewesen war, oder ob er bezahlt hatte. Es wäre sogar möglich, dass beides zusammen geschehen war: Matossi hatte Toggenburger und Hintermeister mit dem Wissen über ihre Geschäftspraktiken erpresst, und umgekehrt hatte er selbst dafür bezahlen müssen, dass jemand etwas über ihn wusste. Aber was, verdammt nochmal?
Nick glaubte nicht an das 'Geheimnis', von dem Peter ständig sprach, das war ihm viel zu vage. Eher konnte er sich vorstellen, dass auch Matossi aus geschäftlichen Gründen erpresst wurde, vielleicht weil er sein Amt nicht immer genau nach Vorschrift ausgeübt hatte. Vetternwirtschaft? Begünstigung?
Es gab noch viel zu tun, und wenn er sich auf den Fall konzentrierte, würde er vielleicht ein bisschen weniger oft daran denken müssen, dass seine Liebste im Begriff war, ihn für einen windigen Geschäftsmann zu verlassen.
*
Marina konnte trotz des Beruhigungsmittels, und obwohl die Kopfschmerzen grösstenteils verschwunden waren, nicht schlafen. Um ein Uhr stand sie wieder auf, zog einen dicken Pulli über den Pyjama und ging barfuss – Bodenheizung sei Dank – in die Küche. Sie machte sich einen Tee und nahm Papier und Stift, um ihre Situation nochmals zu analysieren, und zwar schriftlich. Eine SWOT-Analyse musste her, so wie sie es in einem Seminar für Unternehmerinnen gelernt hatte: Strengths, Weaknesses, Opportunities und Threats; Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen.
Sorgfältig füllte sie die Vierecke aus mit Begriffen wie 'Auslandserfahrung', 'Sprachkenntnisse anwenden und erweitern', 'Horizont öffnen'; aber auch 'Qualität fraglich', 'Motivation der Mitarbeiterinnen', 'feuchtes Klima', 'Migräne', 'Erfolgsaussichten', 'Bezahlung'.
Ins letzte Viertel, unter den Titel 'Bedrohungen', schrieb sie nur ein Wort: 'Nick'. Es war möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass sie Nick verlieren würde, wenn sie am Samstag mit Andrew nach St. Martin flog. War es das wert? Nein, war es natürlich nicht. Aber die Lust, etwas Neues kennen zu lernen, eine andere Atmosphäre, eine Insel im Meer, eine andere Kultur, die konnte sie auch nicht unterdrücken.
Als junge Frau war sie eine Reisende gewesen, Tochter eines Linienpiloten, der seine Familie überall hin mitgenommen hatte. Auf der ganzen Welt hatte sie sich zurecht gefunden, war mit den Leuten in Kontakt gekommen, hatte Freundschaften geschlossen und sich mit viel Glück aus ziemlich gefährlichen Situationen befreit. Vor über
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