Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
zehn Jahren war sie in Aarau sesshaft geworden mit ihrem Geschäft und fühlte sich im Grunde wohl. Nur: sie hatte diese Reiselust tief begraben, um sich eine erfolgreiche Existenz aufzubauen; jetzt meldete sie sich zurück mit einer Macht, die nicht zu unterschätzen war.
Und was war mit Andrew? Würde sie auch auf dieses Angebot eingehen, wenn es nicht von ihm stammte? Er sah gut aus, war sehr wohlhabend, lebte ein interessantes Leben an verschiedenen Orten, aber sie wusste wenig über ihn. Sie ahnte, dass er im Gegensatz zu Nick auch in Beziehungen kein sesshafter Mensch war, sondern im schlimmsten Fall ein Trophäenjäger, dem das Erlegen des Wilds, oder die Eroberung einer Frau, wichtiger war als Hege und Pflege. Unter dem Titel 'Chancen' war also zusätzlich 'heisse Affäre' zu notieren, bei 'Bedrohungen' gehörte 'Verbrennungsgefahr' hin.
Und wie es so oft geschieht bei methodischen Analysen, war auch hier irgendwie alles ausgeglichen: das Papier war zwar gedanklich eine Hilfe, aber am Ende sagte es ihr nicht, ob sie gehen oder bleiben solle. Die Entscheidung blieb ihr überlassen, und sie traf sie um drei Uhr morgens. Sie würde definitiv mitfliegen am Samstag, und, ganz wichtig, sie würde ihren Verstand nicht zuhause lassen. Rasch und effizient schrieb sie eine Liste der Dinge, die in den Tagen bis dahin zu erledigen waren.
Mittwoch
Um halb zehn Uhr, eine halbe Stunde vor dem Vernehmungstermin, rief Paul Hintermeister seinen Kumpel Peter Pfister an und sagte, er sei leider verhindert. Ein ganz dringender Termin sei dazwischengekommen, er sei bereits auf dem Weg nach Davos und könne noch nicht genau sagen, ob er allenfalls sogar ein paar Tage in den Bergen bleibe, falls das Wetter mitmache. Peter spielte den Verständnisvollen – den 'good cop' – obwohl er natürlich am liebsten laut geflucht hätte.
„Ja, ich verstehe, Paul, deine Geschäfte gehen vor. Allerdings gibt es ein paar Fragen, die wir dir dringend stellen müssten, sonst kommen wir in unserem Fall nicht weiter. Wann bist du denn ganz sicher wieder in Aarau?“ Sie vereinbarten einen Termin für den nächsten Montag, Hintermeister solle sich jedoch unbedingt melden, wenn er vorher zurückkomme. Das werde er auf jeden Fall tun, versprach Hintermeister, aber er sei doch nicht etwa ein Verdächtiger, oder?
„Nein, aber ein wichtiger Zeuge, Paul“, sagte Peter. „Und die wichtigen Zeugen können wir wenn nötig auch vorladen, und dann geht es deutlich weniger freundlich zu als bisher, das darfst du mir glauben. Es wäre also gut, wenn wir uns so bald wie möglich sehen könnten, auf freiwilliger Basis.“
„Das kann man nur noch halbfreiwillig nennen“, lachte Hintermeister ins Telefon, „aber ich komme, keine Angst. Ich habe keinen Grund abzuhauen. Ciao.“
„Und was tun wir jetzt?“ fragte Angela. „Wer könnte sonst noch die Personen auf den Fotos identifizieren? Sollen wir Maja Studer fragen, obwohl du das Gefühl hast, sie lüge?“
Aber dazu hatte Peter keine Lust; er schlug vor, dem dritten im Bunde, dem kranken Kurt Fritschi, einen Besuch abzustatten und ihn nach den Namen zu fragen, sofern es sein Zustand erlaube.
„Gut, dann gehe ich der Spur in Laufenburg nach und bitte die Lebensberaterin um eine Audienz. Du kannst gehen, ich informiere Gody.“ Und Nick auch, dachte sie, damit er weiss womit wir uns gerade beschäftigen. Sie wählte seine Nummer, wurde aber nur mit dem Beantworter verbunden. Sie hinterliess eine Nachricht mit den wichtigsten Informationen und mit der Frage, wann sie denn wieder mit ihm rechnen könnten; anschliessend sprach sie kurz mit Gody. Sie erfuhr, dass Nick noch mindestens bis morgen, allenfalls sogar bis am Wochenende provisorisch suspendiert sei.
„Womit um Himmels Willen hat er das verdient, Gody?“ Angela brauchte all ihren Mut, um die Frage zu stellen, und die Antwort kam entsprechend ungehalten:
„Du weisst genau, dass er dort geschnüffelt hat, wo es verboten war. Mehr sage ich nicht dazu, nur noch dies: auch du hast vorläufig bei der Firma Tomet AG nichts zu suchen, ist das klar?“
„Ja.“
„Gut, dann ab an die Arbeit. Ach, übrigens, wann kommt die Schwester von Matossi?“
„Morgen im Verlauf des Nachmittags. Am Freitag hat sie einen Termin bei Naef in Frick; ich werde sie hinfahren und wenn möglich bei der Testamentseröffnung dabei sein.“
*
Peter Pfister mochte den Krankenhausgeruch überhaupt nicht, und in der Onkologieabteilung des Kantonsspitals Aarau
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