Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
sollen etwas suchen auf dem Friedhof. Ich wette, dass das blonde Mädchen mit dem einzelnen Ohrring, das die Frau in Rheinfelden gesehen hat, in einem Grab auf dem Friedhof Kirchberg liegt. Und ich wette auch, dass es sich dabei um die verschwundene Patrizia Obrist handelt.“ Mit geschwellter Brust stand Peter Pfister vor der Pinnwand. „Jetzt müssen wir die Sache nur noch beweisen und unseren feinen Freunden Matossi, Hintermeister und Kompanie anhängen. Matossi hat sich geschnitten, Mord verjährt nicht; die Herrschaften werden lange Jahre büssen.“ Genugtuung lag in seiner Stimme.
„Nicht so schnell, Peter.“ Angela bremste die Begeisterung ihres Kollegen, aber ihr Ehrgeiz war natürlich auch angestachelt. „Erstens verjährt Mord nach dreissig Jahren, und Patrizia verschwand 1966; rechne. Zweitens kann es auch sein, dass sie nur Bescheid wussten. Matossi hat vielleicht einen oder alle von ihnen bar bezahlt, jeden Monat, nur um ihr Schweigen zu kaufen. Vielleicht ist der Mörder des Mädchens tot, und nur die Mitwisser leben noch.“
„Wer redet denn hier von Mord, verdammt nochmal?“ intervenierte Nick und schlug wieder mit der Faust auf den Tisch. „Wir wissen nichts, gar nichts; ihr fantasiert und zieht Schlüsse aus den Aussagen einer esoterischen Tante. Wo sind wir hier eigentlich, an einem Märchenkongress?“
Peter und Angela schauten ihren Chef betreten an. Normalerweise machte er mit, wenn sie versuchten, die Fakten in einen Zusammenhang zu bringen oder ein Szenario zu entwickeln; diesmal schien er kein Gehör zu haben dafür.
„Ja, du hast ja Recht, und trotzdem ist der Zusammenhang nicht von der Hand zu weisen. Sag uns doch, was du denkst.“ Angela sprach mit ruhiger Stimme; es gelang ihr, die geladene Atmosphäre etwas zu entschärfen. „Ich habe hier auf der Tafel verschiedene Möglichkeiten aufgezeichnet, um die Dame und die Herren mit den Briefen zu konfrontieren, allerdings ohne Kurt Fritschi. Jemand muss ihm den Brief ins Krankenhaus bringen. Denkst du, es ist besser, wenn wir sie einzeln befragen, oder wollen wir sie zusammentreffen lassen?“
„Keine Ahnung“, murmelte Nick und stand auf. „Ich fahre jetzt erst mal nach Erlinsbach und rede mit diesem Italiener. Für alle Fälle nehme ich den Brief und den Schmuck mit, aber ich will zuerst wissen, woher er und Matossi sich kannten.“ Er nahm seinen Mantel und verliess wortlos das Büro.
„Was ist los mit ihm?“ fragte Peter, „Er könnte doch zufrieden sein, jetzt wo wir so nahe an einer Lösung sind. Weiss er etwas, was er uns nicht sagt?“
Angela schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube nicht. Entweder ist er immer noch sauer, dass er suspendiert wurde, oder sein Privatleben bereitet ihm Sorgen. Keine Ahnung, was es wirklich ist, und er wird auch nichts sagen, also lassen wirs.“
Sie diskutierten eine Weile darüber, wie man Paul Hintermeister, Maja Studer und allenfalls den unbekannten Ernesto De Cicco am besten dazu bringen könnte, den Inhalt des Briefes preiszugeben; aber bald gaben sie auf, denn am Ende würde trotz allem Nick entscheiden.
*
„Sind Sie Ernesto De Cicco?“ Der etwa siebzigjährige, kleine und kräftige Mann in der Tür wirkte verschlafen; er nickte. „Entschuldigen Sie, wenn ich störe. Ich bin Nick Baumgarten von der Kantonspolizei Aargau. Darf ich hereinkommen?“
Wortlos hielt der Mann die Türe auf und schloss sie wieder hinter dem Besucher. Nick stand in einer Art Wohnküche mit einem alten Holzofen, der eine angenehme Wärme verbreitete. Es war düster, das kleine Fenster und die Lampe über dem Tisch genügten nicht, um den Raum zu erhellen, aber Nick sah, dass Ordnung herrschte. Kein schmutziges Geschirr im alten Schüttstein, die Pfannen waren säuberlich aufgehängt an den Haken über dem Herd, ein Geschirrtuch trocknete am Ofen. De Cicco wies auf einen Stuhl für Nick und setzte sich gegenüber. Er fragte nicht, sondern wartete einfach. Sein Besucher würde schon sagen, warum er hier war.
„Kennen Sie einen Gion Matossi?“ De Cicco nickte.
„Seit wann?“
Der Mann zuckte mit den Schultern. „Schon lange.“
„Woher kennen Sie ihn?“
„Weiss nicht mehr, vielleicht vom Fussball, oder vom 'Ochsen'.“
„Matossi ist tot, Herr De Cicco.“
„Aschi.“
„Wie bitte?“
„Aschi, ich heisse Ernesto, alle nennen mich Aschi.“
„Gut, also, Aschi. Sie wissen, dass Gion Matossi tot ist?“
„Ja, hat mir der Ochsenwirt gesagt. Wollen Sie einen Grappa?“ Er bückte
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