Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
protestantischen Kirche ausgetreten, aber der Besuch eines Sonntagsgottesdienstes würde ihr nicht schaden.
Sonntag
Es war sinnlos, sich wieder hinzulegen, der Schlaf würde nicht mehr kommen. Nick schaltete die Kaffeemaschine ein und ging ins Bad. Aus dem Spiegel schaute ihm ein übernächtigtes, unrasiertes Bleichgesicht entgegen mit dunklen Schatten unter den Augen. Kein Wunder läuft Marina davon, dachte er, so wie ich aussehe. Ich bin ein altes Wrack, das um vier Uhr morgens nicht mehr schlafen kann, weil die Gedanken sich endlos drehen im Kopf. Weder gelingt es mir, eine normale Liebesbeziehung aufrecht zu erhalten, noch bin ich in der Lage, den Fall Matossi zu lösen.
Er drohte in Selbstmitleid zu versinken, aber ein kleiner Teil seines Geistes wusste, dass er seine Zeit besser nutzen konnte. Ein doppelter Espresso mit viel Zucker und eine heisse Dusche würden ihn wieder auf andere Gedanken bringen. Er musste sich unbedingt die nächsten Schritte in den Ermittlungen überlegen; er und sein Team standen an einem kritischen Punkt und durften jetzt keine falschen Schritte machen. Wenn Aschi nicht redete – und Nick musste davon ausgehen – dann blieben Paul Hintermeister und Maja Studer. Es wäre schön, wenn man sie an einem Sonntagmorgen überraschen könnte; die meisten Leute glaubten nämlich, dass auch die Polizei am Wochenende die laufenden Arbeiten ruhen liess oder ihre Aktivitäten zumindest begrenzte.
Sein Handy meldete eine SMS. 'Gut angekommen, es ist heiss und feucht. Bin todmüde nach dem langen Flug, Zeitgefühl total durcheinander. Schlaf gut, xxx.' Sie denkt an mich, jubelte sein Herz, sie liebt mich, und sie schläft allein heute Nacht. Mit neuer Energie machte er sich an die Arbeit.
*
„Sind Sie ein Angehöriger?“ Die Dame am Empfang des Kantonsspitals schaute genau hin, als Nick ihr seinen Ausweis unter die Nase hielt.
„Nein, bin ich nicht, aber ich muss ganz dringend mit Kurt Fritschi sprechen.“
„Es ist erst viertel nach sechs, Herr Kommissar! Die meisten Patienten schlafen noch.“
„Und ich brauche dringend eine Auskunft, wir stecken in einem ganz brisanten Mordfall. Darf ich wenigstens mit dem Stationspersonal reden?“
Die Dame telefonierte kurz und wies ihm dann den Weg. Es herrschte schon reger Betrieb auf den langen Gängen, ein Krankenhaus unterschied genauso wenig zwischen Werktagen und Feiertagen wie die Polizei. Er klopfte an die Glastüre des Stationszimmers, wo ein halbes Dutzend Personen in weissen und blauen Arbeitskleidern Kaffee trank und angeregt plauderte. Alle Gesichter wandten sich ihm zu, als er sich vorstellte und nach Kurt Fritschi fragte.
„Sie kommen zu spät, Herr Baumgarten. Kurt Fritschi ist um drei Uhr heute Nacht gestorben.“ Eine Frau mittleren Alters trat vor. „Sind Sie der Chef von Peter Pfister?“ Er nickte, und sie nahm in am Arm und zog ihn in den Korridor hinaus. „Ich habe Herrn Pfister schon gesagt, dass er vom Kirchberg gesprochen hat. Er war sehr unruhig eine Weile lang, er wollte sprechen, aber es gelang ihm nicht, es röchelte nur noch. Gestern Abend wurde er ruhiger und schlief ein.“
„War jemand hier gestern, ein Besucher?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, seit dem Besuch von Herrn Pfister war niemand mehr bei ihm.“
Nick bedankte sich und ging zurück zu seinem Wagen. Um fünf Uhr hatte es zu schneien begonnen, jetzt waren die alten Bäume beim Parkplatz weiss gezuckert. Er wischte den Schnee von Motorhaube und Windschutzscheibe, liess die Heizung auf Hochtouren laufen und fuhr vorsichtig Richtung Stadt. An einem Sonntagmorgen um diese Zeit war niemand unterwegs, noch nicht einmal die Räumungsfahrzeuge.
*
Ohne Fritschi blieben dem Ermittlungsteam nur noch Maja Studer und Paul Hintermeister. Fast unbewusst lenkte Nick sein Auto langsam durch die Laurenzenvorstadt, zum Firmensitz von Paul Hintermeister. Im Erdgeschoss brannte Licht, und vor dem Haus standen zwei Autos ohne einen Hauch von Schnee, beide mit Aargauer Nummernschildern. Er parkte so, dass er den Hauseingang im Blick hatte, und nahm sein Handy. Angela antwortete nach dem ersten Läuten und versprach, in zehn Minuten bei ihm zu sein.
Ein Anruf an die Zentrale bestätigte, was er geahnt hatte: der BMW war auf Hintermeister Immobilien zugelassen, der Audi auf die Firma DSM in Kaiseraugst, den Arbeitgeber von Maja Studer. Die beiden versuchten vermutlich gerade, Matossis Passwort zu knacken.
Nick rief Peter Pfister an und bat ihn, so rasch wie
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