Delete: Thriller (German Edition)
…«
»Irgendwie musste ich ja deutlich machen, dass das Verschwinden dieser Leute nicht zufällig ist, oder? Also hab ich ihre Spielfiguren übernommen, nur für eine Minute oder so. Ich hatte gehofft, dass einige Leute auf diese Weise die Wahrheit realisieren, dass eine Welle der Erkenntnis durch das Internet laufen würde. Aber diese Idioten kapieren es einfach nicht. In den Foren reden sie den größten Quatsch. Sie haben nicht mal gemerkt, dass alle vier kurz vor ihrem Verschwinden über dasselbe geredet haben. Ich war wohl noch nicht deutlich genug. Oder es sind die Admins, die Gegengerüchte streuen. Sie sind sehr gut darin, die Wahrheit hinter Unsinn zu verbergen.«
»Die Polizei wird merken, dass es einen Zusammenhang gibt. Ich habe sie selbst darauf hingewiesen.«
»Schon möglich. Aber …« Er stockte. Seine Augen weiteten sich. »Das ist es! Wie hieß der Kommissar, mit dem du geredet hast?«
»Eisenberg. Warum?«
»Ich werde mit ihm sprechen.«
Hoffnung ließ ihr Herz schneller schlagen, was die Kopfschmerzen noch verstärkte.
»Du … du willst dich stellen?«
Er schüttelte den Kopf.
»Ich will mit ihm reden. Er kann diese Sache vielleicht beenden.«
»Ich verstehe nicht.«
Er sah sie einen Moment lang mitleidig an.
»Ich hatte dich für intelligenter gehalten, Mina. Aber ich habe mich wohl getäuscht.«
Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte.
»Ist das wirklich so schwierig? Er ist ein Admin! Er muss einer sein!«
Gegen ihren Willen fragte sie: »Warum?«
»Wenn die Polizei nicht von ihnen unterwandert wäre, hätten die wahrscheinlich schon längst die richtigen Schlussfolgerungen gezogen. Die Admins kontrollieren die Polizei. Es kann gar nicht anders sein. Bei welcher Dienststelle arbeitet dieser Eisenberg?«
»Beim LKA.«
Seine Augen leuchteten.
»Da hast du es! Natürlich ist er beim LKA. Auf diese Weise kann er jeden Fall an sich reißen, von dem er nicht will, dass ihn die lokalen Polizeibehörden aufklären.«
Mina unterließ es, ihn darauf hinzuweisen, dass sich die lokalen Polizeibehörden gar nicht mit dem Fall hatten beschäftigen wollen. Ihre einzige Chance bestand darin, dass Julius mit dem Kommissar sprach und dabei verhaftet wurde oder sich stellte.
»Hast du seine Telefonnummer?«, fragte er.
»Er hat mir eine Visitenkarte gegeben. Sie ist in meinem Portemonnaie.«
Er kniff die Augen zusammen.
»Du versuchst doch nicht schon wieder, mich hereinzulegen, oder?«
»Nein, ehrlich!«
Er sah sich um, als sei noch jemand im Raum.
»So leicht legt ihr mich nicht rein!«, schrie er die Wand an. Dann wandte er sich wieder Mina zu. »Entschuldige … Manchmal halte ich dieses Gefühl einfach nicht aus.« Er begann, sich am Hals zu kratzen.
»Eines verstehe ich nicht«, sagte sie. »Wenn … wenn du bloß aufwachen willst, warum … bringst du dich nicht einfach um?«
Schon als die Worte ihren Mund verließen, wusste sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte.
Sein Gesicht verzerrte sich vor Wut. »Warum sagst du das?«, schrie er. »Warum – sagst – du – das?«
»Ich … es tut mir leid, ich …«
Er raufte sich die Haare.
»Bist du eine von ihnen? Bist du? Sag es!«
Sie schüttelte den Kopf.
Er starrte sie mit aufgerissenen Augen an. Plötzlich hatte er die Pistole in der Hand.
»Ich … ich hätte dich doch löschen sollen!«
Sie schloss die Augen, wartete auf das Unvermeidliche. Doch er schoss nicht.
Als sie die Augen wieder öffnete, saß er zusammengesunken auf dem Stuhl. Tränen liefen über seine Wangen. Sie sagte nichts, aus Angst, einen neuen Wutausbruch zu provozieren.
»Ich … ich habe es versucht«, sagte er nach einer Weile.
Dann hob er die Pistole und hielt sie an seine Schläfe.
»Nein!«, schrie Mina.
Wenn er sich umbrachte, würde sie hier unten elend verhungern.
Nach einem endlosen Moment senkte er die Pistole wieder.
»Ich kann es einfach nicht. Sie machen irgendwas, damit ich schwach bin!«
Aber nicht zu schwach, um andere zu töten, dachte Mina. Nicht zu schwach, um mich zu entführen. Feigling, lag ihr auf der Zunge, aber sie hütete sich, es auszusprechen.
»Wann hast du es gemerkt?«
Die Frage war ihr einfach so durch den Kopf gegangen, und sie hatte sie ausgesprochen, ohne darüber nachzudenken. Halb erwartete sie einen neuen Wutanfall, halb eine Nachfrage, was sie meinte. Doch er wusste sofort, wovon sie redete.
»Als meine Mutter starb«, erzählte er mit monotoner Stimme, seinen Blick ins Leere gerichtet.
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