Delhi Love Story
lange. Ich sitze mit geschlossenen Augen hinter ihm auf dem Motorrad und halte mich an ihm fest. Ich spüre den kühlen Wind im Haar, seinen warmen Rücken. Zum hundertsten Mal frage ich mich, was ich hier eigentlich mache, wie ich nach Hause kommen soll, aber gleichzeitig fühle ich mich mutig, aufgeregt und voller Vorfreude. Er will mir sein Zimmer zeigen , denke ich wieder und wieder.
Die Bäume auf dem Unigelände werfen schon lange Schatten, als wir endlich am Wohnheim ankommen. Es liegt am Rande eines Waldes. Die Sonne wird bald untergehen, ich fröstele.
»Hier wohnst du also«, sage ich betont locker, obwohl ich mich gar nicht so fühle.
»Warte, bis du das ›Grüne Zimmer‹ siehst.«
Sein Zimmer liegt im zweiten Stock des Wohnheims. Wir gehen über den Laubengang an vielen Türen vorbei, es scheint niemand da zu sein. Ein Spatz verlässt seinen Platz auf dem Geländer und fliegt Richtung Wald, als wir uns nähern. Ein Vogel schreit. Ich gehe hinter Kunal her. Auf seine Zimmertür, die letzte am Ende des Gangs, hat er ein schwarz-weißes Poster einer Don Giovanni-Aufführung geklebt. Meine Beine zittern, als er die Tür öffnet.
Sein Zimmer ist dunkel und schmal. Der Schreibtisch ist voller Bücher und Blätter, auf dem Stuhl liegen Kleidungsstücke, ein Regal biegt sich unter der Last der Bücher. Das Bett ist ungemacht und steht am Fenster. Der Wald beginnt direkt dahinter, wenn man die Hand hinausstreckt, kann man die Zweige berühren. Das Zimmer
wirkt intim, es riecht leicht nach Zigaretten, Bettlaken und herbem Eau de Toilette. Kunal schaltet das Licht ein. »Willkommen in meinem Reich.«
Ich sehe mich um. Im sanften Schein der Korblampe wirken die Poster an der Wand seltsam verzerrt. Charlie Chaplin blickt trauriger als sonst, die Figuren auf dem Cats -Poster sehen noch gewundener aus. Über dem Bett hängen Schwarz-Weiß-Fotos. Manche der abgebildeten Schauspieler tragen viktorianische Kostüme, andere nur Dhoti und Turban. Eines zeigt eine nackte junge Frau auf roter Satinbettwäsche. Daneben hängt eine vergrößerte Aufnahme vom Broadway.
»Wie findest du es?«, fragt Kunal und fasst meine Hand.
»Es ist sehr –«
Seine Lippen erdrücken meine restlichen Worte.
Er fühlt sich so gut an. Sein Haar ist wie Seide unter meinen Händen, sein Gesicht an meinem ist perfekt. Er umfasst meinen Kopf und küsst mich langsam und zärtlich. Ich spüre sein Kopfkissen, die Matratze, seine Lippen auf meiner Haut, seine Zunge auf meiner Schulter. Als er nach den Knöpfen meiner Bluse tastet, atme ich hörbar ein.
»Kunal –«
»Pssst …«
Langsam knöpft er die Bluse auf. Seine Hand gleitet unter den Stoff, seine Finger streichen sanft über meinen Bauch. Etwas Heißes, Fiebriges erwacht in mir, wo immer er mich berührt. Seine Augen sind unerträglich dunkel. Er öffnet den letzten Knopf.
»Ani …«
Ich rolle mich auf den Bauch, schließe die Augen. Seine Finger fahren über meinen Rücken, zeichnen jeden Wirbel nach. Sie wandern auf meiner Haut hin und her und öffnen – plötzlich – meinen BH. Ich höre, wie Kunal den Atem anhält.
Als wir sein Zimmer verlassen, bin ich froh über die Dunkelheit. »Möchtest du unsere Cafeteria sehen?«, fragt er.
»Ich sollte jetzt wirklich gehen«, antworte ich und wende mich Richtung Treppe.
»Warte. Ich fahre dich zurück.«
Am anderen Ende des Gangs ist ein Schatten zu sehen. Ich werde nervös, entspanne mich erst wieder, als die Person in die andere Richtung verschwindet. »Nein, ich komme schon zurecht«, sage ich mit halbem Lächeln.
»Aber du wirst ewig für den Heimweg brauchen.«
»Das ist schon in Ordnung, es macht mir nichts aus. Ich kann den Bus nach Dhaula Kuan nehmen und von dort ein Sammeltaxi. Du solltest … du solltest jetzt zur Probe gehen.«
Er streicht mir übers Haar. »Bist du sicher, Kleines?«
»Ja.«
Er lächelt, drückt mir einen Kuss in die Handfläche. »Dann komm gut nach Hause.«
Der Bus an der Haltestelle vor der Uni ist fast leer. Meine Schritte hallen auf dem Metallboden wider. Ein Typ im vorderen Teil des Busses blickt kurz von seiner Zeitung
auf. Nervös überprüfe ich, ob meine Bluse richtig zugeknöpft ist.
Ich setze mich in die Mitte hinter zwei Damen, die sich sehr ähnlich sehen – sie sind wohl Mutter und Tochter. Es ist erstaunlich, wie ähnlich Töchter ihren Müttern manchmal sehen. Ma und ich sehen völlig verschieden aus. Ich finde, sogar Rani sieht meiner Mutter ähnlicher als ich. Die beiden
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