Delhi Love Story
wahrscheinlich müder, als ich dachte. Bis morgen, Isha, okay?«
Sie geht. Sobald sie die Terrassentür hinter sich geschlossen hat, drehe ich mich zu Ma um. »Was wolltest du sagen? Papa war auch nicht …?«
»Nichts«, seufzt Ma und steht auf. »Suj war immer wundervoll. Einfach … wundervoll.«
Mit lautem Rattern schiebt sie die Glastür hinter sich zu.
Dreißig
Am Donnerstagnachmittag gleich nach der Schule treffe ich Kunal in der kleinen Buchhandlung im Einkaufszentrum. Zwischen den engen Bücherregalen, fern der
Schule und der Uni, ist es unpersönlich, aber trotzdem intim. Als ich die Buchhandlung betrete, sieht Kunal sich gerade gedankenverloren ein Buch an.
»Hallo du«, flüstere ich.
Er schreckt auf, beginnt zu lächeln. Er legt seinen Arm um meine Hüfte. Einen Moment genieße ich die Umarmung und frage mich, ob ich mich je an dieses Gefühl gewöhnen werde.
»Was liest du da?« Ich nehme ihm das Buch aus der Hand. Mahesh Dattani. Letzte Lösungen und andere Stücke . »Ist das gut?«
Er streicht ehrfürchtig über das Buch. »Sehr.«
Ich kaufe es ihm. Er protestiert halbherzig. In das Buch schreibe ich eine extravagante Widmung, die er mit großen Augen liest. »Ist dir klar, dass ich das Buch niemals verleihen kann?«
»So war es gedacht.«
Dann gehen wir ins Barista und setzen uns an ›unseren‹ Tisch. Unsere Knie berühren sich. Ihn nach so langer Zeit so nah bei mir zu haben, macht mich nervös. In den letzten Wochen haben wir uns kein einziges Mal gesehen. Nächste Woche hat sein Theaterstück Premiere. Ich glaube kaum, dass wir uns in den kommenden Tagen häufig sehen werden.
»Wie laufen die Proben?«, frage ich ihn.
Er wirkt gequält. »Frag nicht. Wir brauchen ein Wunder, um das rechtzeitig zu schaffen. Ich habe nur heute Nachmittag Zeit, dann muss ich zurück und mich wieder in den Wahnsinn stürzen.«
»Bestimmt ist es sehr aufregend.«
»Es ist ein Riesenzirkus. Übrigens musst du am Samstagabend um Punkt sieben Uhr im Siri Fort Theater sein.«
»Ach ja?«
»Besser halb sieben. Dann kannst du vorher noch bei mir vorbeischauen und mir Glück wünschen.« Er schiebt mir einen Umschlag hin. »Hier sind Backstage-Karten. Du bringst hoffentlich deine Mutter mit?«
Ma. Natürlich! Das wäre eine gute Gelegenheit, es ihr zu sagen. Der süße Typ, der den Macbeth spielt, ist mein Freund, Ma . Vorfreude erfüllt mich.
»Bringst du auch Rani mit? Hier drin sind drei Karten. «
»Oh«, sage ich. »Du musst sie nicht –«
»Ich weiß, dass unsere erste Begegnung nicht gut lief«, antwortet er. »Und jetzt versuche ich, das wiedergutzumachen. Sie wohnt doch noch bei euch?«
Ich seufze, versuche, fröhlich zu klingen. »Ja. Eigentlich sollte sie wieder bei ihrer Cousine einziehen, aber …«
Aber Rupa war am Samstagnachmittag vorbeigekommen, hatte Rani umarmt und war dann stundenlang mit Ma verschwunden. Ich überlegte mir währenddessen schon, was ich Rani zum Abschied sagen würde – nur Nettes, alles sollte harmonisch sein. Dann kam Ma zurück und sagte, Rani würde noch eine Weile bei uns wohnen.
»Eine Weile?«
Sie blieb vage. »Ann, wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich denken, du wolltest sie loswerden!«, sagte sie lachend. »Rupa hat jetzt einige Probleme. Ich habe
ihr gesagt, dass Rani so lange wie nötig bei uns bleiben kann. Ist das nicht toll?«
»Ein Traum wird wahr«, stimmte ich zu.
Kunal berührt meine Hand. »Also, bringst du Rani mit?«
»Ich sage ihr, dass sie eingeladen ist. Aber ich kann nicht garantieren, dass sie kommen wird.«
»Wieso? Sie kann doch unmöglich noch böse sein, nur weil ich dich geküsst habe? Ich könnte sie einfach auch küssen.«
»Nein danke! Im Ernst: Es würde mich nicht wundern, wenn sie mit der Begründung ablehnte, dass sie lernen muss.«
»Lernen?«
»Das ist ihre größte Leidenschaft.«
Er schüttelt sich. Lächelnd sage ich, dass ich es auch nicht verstehen kann.
Bald schon schaut er auf die Uhr. »Musst du schon gehen? « Eine gewisse Wehmut in der Stimme kann ich nicht unterdrücken.
Er lächelt mich an, nimmt meine Hand. »Wieso kommst du nicht einfach mit?«
»Genau.«
»Du könntest bei der Probe zusehen.«
»Ich wäre doch nur im Weg.«
»Und ich könnte dir mein Zimmer zeigen …«
Ich beiße mir auf die Unterlippe. »Ich weiß nicht«, zögere ich. »Es ist ziemlich weit.«
»Mach dir keine Sorgen – ich werde dafür sorgen, dass es sich lohnt«, verspricht er.
Die Fahrt dauert sehr
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