Delia 3 - Delia im Wilden Westen
Ohren dasaß, ohne sich zu rühren, wie sie es von Akitu gelernt hatte. Erst als sie ganz sicher war, dass André sich entfernt hatte und dass sich niemand ihrem Versteck näherte, zog sie sich die Indianersachen aus und begann sich gründlich von Kopf bis Fuß zu waschen. Sie wusch sich sogar das Haar, und das hatte es wirklich nötig.
Dann schlüpfte sie in die Sachen, die ihr André gebracht hatte — eine Hose von Büffelleder, ein grob kariertes Baumwollhemd, Stiefel mit Sporen daran und einen Cowboyhut. Sie war ganz begeistert, wie gut ihr alles passte — es war alles nur ein klein bisschen zu groß, gerade richtig zum Hineinwachsen. Die Sporen machte sie allerdings von den Stiefeln. Ihr Mustang war es gewohnt, mit weichen Mokassins geritten zu werden, der hätte vor Schreck einen tollen Satz gemacht, wenn sie ihn plötzlich mit Sporen bearbeitet hätte.
Delia schlang sich ihr Lasso um, hängte das Gewehr über die Schultern, setzte sich auf einen flachen Stein in die Sonne und ließ ihr Haar trocknen. Ein bisschen traurig war sie ja, dass sie das schöne Indianerkleid, das ihr Inona selbst angefertigt hatte, nicht mehr tragen durfte, aber da half nichts. Sie bündelte es zusammen.
Dann, als ihr Haar trocken war, betrachtete sie sich im spiegelnden Wasser. Ja, jetzt fiel es ihr wieder in weichen braunen Wellen auf die Schultern, lockte sich um ihre Stirn. Inona hatte sich immer Mühe gegeben, es ganz glatt zu striegeln, damit es wie Indianerhaar wirkte, und sie selber hatte es ihr nachgemacht. Ihr rundes Gesicht mit den kleinen Sommersprossen auf der Nase und den fröhlichen braunen Augen sah nun wieder ganz europäisch aus, und doch — irgend etwas stimmte immer noch nicht.
Endlich fiel ihr ein, was sie störte — das Haar war zu lang. Zwar trugen die weißen Männer damals auch nicht gerade kurz geschnittenes Haar. Den meisten wuchs es in den Kragen hinein, manchen fiel es sogar bis auf die Schultern herab.
Aber Delia reichte es jetzt, da sie den Indianerschopf am Hinterkopf gelöst hatte, den halben Rücken hinunter.
Entschlossen nahm sie ihr Jagdmesser und begann die Enden abzuschnipseln, immer mehr Haare fielen, bis sich die Spitzen hinter den Ohren in lockere Wellen legten. Erst dann gab sie sich zufrieden.
Eigentlich wäre sie jetzt schon gern weitergezogen. In der Nähe der Siedlung fühlte sie sich nicht allzu wohl. Aber sie dachte an das Versprechen, das sie André gegeben hatte, und auch an die Mahlzeit, die er ihr versprochen hatte. So holte sie ihr Pferd, führte es an die Quelle, ließ es trinken. Indessen begann sie selber, Blätterkörbchen mit Waldbeeren zu füllen. Sie sah genug Wildspuren und hätte leicht etwas schießen können. Sie wollte jedoch ihre Anwesenheit nicht durch einen Schuss verraten, wagte auch kein Feuer zu machen.
Dann — ganz unerwartet — hörte sie ein Geräusch, ein so leises Geräusch, dass ein anderer bestimmt nicht darauf aufmerksam geworden wäre. Sofort suchte Delia Deckung hinter einem Busch und verhielt sich mäuschenstill.
Aber es war nur André der auf die Lichtung trat, und er kam allein.
„Hände hoch!“ schrie Delia.
André fuhr herum, wollte, statt die Hände hochzunehmen, seine neu erworbene Pistole aus dem Gürtel ziehen.
Aber da hatte Delia schon auf ihn angelegt und machte: „Bumm!“
Lachend kam sie aus ihrem Versteck hervor. „Wenn du wirklich was mit deiner Pistole anfangen willst, dann musst du aber erheblich schneller werden“, sagte sie.
Er starrte sie mit halboffenem Mund an. „Parbleu! Dich hätte ich beinahe nicht wiedererkannt! Du siehst ja wie ein richtiger kleiner Cowboy aus!“
Delia schwenkte den Hut. „Gewaschen und Haare geschnitten! Schau her, was ich uns gepflückt habe ... zum Nachtisch!“ Und sie wies auf die Früchte, die sie ganz in der Nähe der Quelle gefunden und an die Quelle gelegt hatte, damit sie kühl blieben.
Aber André war viel mehr von dem Pferd beeindruckt, und während er auspackte, was er selber mitgebracht hatte — ein großes hausgebackenes Brot, ein Stück Butter und Käse, alles Dinge, die Delia lange nicht mehr gegessen hatte —, musste sie erzählen.
Delia tat das gern, und während sie von ihrer Überfahrt als blinder Passagier und später als Schiffsjunge berichtete und davon, wie sie von den Iowanokas gefangen- und schließlich in den Stamm aufgenommen worden war, wurden Andrés Augen immer größer. Im damaligen jungen Amerika ging es weit weniger zivilisiert zu als
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