Delia 3 - Delia im Wilden Westen
Cowboy.“
Delia kringelte sich zusammen, den Professor dicht an die Brust gepresst. „Eigentlich“, erzählte sie ihm auf Deutsch ins Ohr, „haben wir doch gar keinen Grund, traurig zu sein, nicht wahr? Denn jetzt sind wir doch unserem Vater ein ganzes Stück näher gekommen, ja, wirklich. Es wäre doch gelacht, wenn wir ihn nicht finden würden! Und morgen, ja, gleich morgen schicke ich einen Brief nach Hause an Mutter, denn jetzt habe ich ja Geld.“
Und mit diesem tröstlichen Gedanken schlief sie ein, während der Mops behaglich schnarchte.
Am nächsten Morgen war Jesse schon bei seinen Büffeln, als Delia aufwachte, sodass sie wirklich keine Gelegenheit mehr hatte, sich zu verabschieden. Sie sattelte ihr Pferd und ritt nach Sacramento hinein. Die Straßen bestanden aus festgestampftem Lehm, auf den jetzt aus vielen Türen und Fenstern Kübel von Wasch- und Aufwaschwasser ausgeschüttet wurden. Die Häuser waren aus Holz gebaut, einstöckig, viele hatten eine Art offener Veranda nach vorne heraus.
Delia ritt gemächlich im Schritt und sah sich aufmerksam nach allen Seiten um. Es fiel ihr auf, dass es kaum Frauen hier gab und anscheinend gar keine Kinder. Sacramento war eine richtige Männerstadt.
Vor einem kleinen Kramladen stieg sie ab, band ihr Pferd an einen hölzernen Balken, trat ein. Sie fragte, wo sie einen Brief aufgeben könnte, und erfuhr, dass der Laden gleichzeitig die Posthalterei war. Sie kaufte einen Bogen Papier und einen Federkiel, lieh sich das Tintenfass aus und begann, einen Brief an ihre Mutter daheim in Schönau zu schreiben.
Das war eine schwierige Sache, wie sich herausstellte. Reiten und Schießen, Lassowerfen und allerlei andere Künste hatte Delia auf ihrer abenteuerlichen Reise gelernt, aber das Schreiben hatte sie fast vergessen. Sie schrieb recht mühsam, und die Buchstaben sahen nachher krakelig und ungelenk aus.
Aber die Männer im Laden bewunderten sie trotzdem. Dass ein so kleiner Junge richtig schreiben konnte! Mit der Schulbildung war es damals in der Neuen Welt schlecht bestellt, noch schlechter als in Europa, wo es ja zu Delias Jugendzeit auch noch keine allgemeine Schulpflicht gab.
Endlich war der Brief fertig. Der Ladenbesitzer, der nicht anders aussah als einer der anderen wilden Kerle, die Delia in letzter Zeit kennengelernt hatte, versiegelte den Brief, ließ sich von Delia bezahlen und versprach hoch und heilig, ihn der nächsten Postkutsche nach dem Osten mitzugeben.
Delia hielt jetzt die Zeit für gekommen, nach ihrem Vater zu fragen. Sie beschrieb ihn genau, aber weder der Ladenbesitzer noch die Männer, die sich auf Fässern und Kisten herumlümmelten, konnten sich an ihn erinnern.
„Frag mal im Saloon nach“, rieten sie. „Dort kommt jeder mal hin, der im Umkreis von hundert Meilen nach Gold buddelt! Wenn man ihn dort nicht kennt, so kannst du gewiss sein, dass er nie hier in der Gegend war.“
Die Aussicht, eine der Kneipen, von denen Jesse ihr so viel Bedrohliches erzählt hatte, betreten zu müssen, gefiel Delia gar nicht sehr. Aber um ihren Vater zu finden, hätte sie sich wahrscheinlich auch, unter den Röcken von des Teufels Großmutter versteckt, in die Hölle geschmuggelt.
Sie bedankte sich, verließ den Laden, band ihr Pferd los und saß auf. Dann schlug sie einen kräftigen kurzen Galopp an. Wenn sie schon in die Wildwest-Wirtschaft musste, dann sollte es wenigstens stilvoll geschehen. Die Männer sollten gleich wissen, mit wem sie es zu tun hatten.
Doch es gelang ihr nicht ganz so großartig, wie sie es sich vorgestellt hatte. Gerade als sie vor dem Saloon mit einem eleganten Satz vom Pferd springen wollte, wurde die Schwingtür von innen aufgestoßen. Drei Männer torkelten heraus, und zwei andere wurden ihnen durch kräftige Tritte in den Allerwertesten nachexpediert — mit Schrecken erkannte Delia ihre Kameraden, die Cowboys von Jesses Büffelherde.
Vor Überraschung vergaß Delia, sich aus dem Sattel zu schwingen und blieb wie angewurzelt sitzen. Also stimmte alles genau, was der große Jesse ihr erzählt hatte! Die Cowboys waren so blau, dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnten, und ganz sicher besaßen sie keinen Cent des Geldes mehr, das sie sich in den letzten Wochen so sauer verdient hatten.
„Na“, sagte Delia zu ihrem Mops, der vor ihr auf dem Sattel saß, „besser als die betrunkenen Indianer sehen die aber auch nicht aus! Pfui Teufel, eines schwöre ich dir: Schnaps werde ich nie im Leben trinken. So soll es
Weitere Kostenlose Bücher