Delia 3 - Delia im Wilden Westen
Männer waren so verblüfft, dass sie sekundenlang wirklich nicht wussten, was sie tun sollten.
Die dicke Lilly war es, die jetzt energisch eingriff. „Genug!“ rief sie. „Was fällt euch ein! Wenn ihr schießen wollt, dann gefälligst draußen, doch nicht hier in meinem eleganten Etablissement!“ Und schon hatte sie ein Gewehr im Anschlag, das sie aber nicht auf Delia, sondern auf die Männer richtete. „Hinaus mit euch!“ schrie sie. „Kommt wieder, wenn ihr nüchtern seid, nicht eher!“
Der Dunkelhäutige fand als erster die Sprache wieder. „Ich beuge mich deinem Wunsche, Gnädigste“, sagte er zu Lilly. Er funkelte wütend Delia an. „Komm mit raus Kleiner, dort werden wir abrechnen!“
„Kommt nicht in Frage“, entschied Lilly. „Den Burschen knöpfe ich mir selber vor! Meinen guten Whisky zu verspritzen! Da hört sich doch alles auf! Also raus mit euch, raus, raus!“
„Wenn du Hilfe brauchst ...“, sagte der Mann mit dem grauen Bart.
„Nein, nein, macht euch um mich keine Sorgen, ich bin noch mit jedem fertig geworden!“ Lilly schwenkte ihr Gewehr so wild durch die Luft, dass die Männer es vorzogen, sich schleunigst aus dem Staub zu machen. Es sah aus, als ob jede Sekunde ein Schuss aus Versehen losgehen könnte, und dem wollte niemand als Zielscheibe dienen.
Dann wandte sie sich Delia zu. „Und nun zu dir, Bürschchen I Weg mit dem Gewehr, sonst setzt es was!“
Delia war einen Augenblick lang unschlüssig. Aber als sie sah, dass der Professor hinter die Bar gelaufen war und ganz vergnügt an Lilly, wie an einer uralten Bekannten, hochsprang, entschloss auch sie sich, die Waffen zu strecken. Sie sprang vom Tisch, legte ihr Gewehr aus der Hand.
„Wie alt bist du?“ fragte Lilly streng.
„Geht Sie das was an?“ gab Delia pampig zurück. Sie konnte nicht so schnell von wütend auf freundlich umschalten.
„Jetzt aber mal halblang“, schimpfte Lilly. „Mit den Kerlen konntest du es ja machen. Es war ganz recht, dass du es denen gezeigt hast ... aber nicht mit mir, mit mir nicht! Ich könnte ja schließlich deine Mutter sein. Also, wie alt bist du?“
„Zwölf Jahre“, erklärte Delia kleinlaut.
„Und wie heißt du?“
„Man nennt mich den kleinen Cowboy. Ich habe die Büffelherde vom großen Jesse begleitet.“
Lilly zog eine Haarnadel aus ihrem kunstvoll hochgetürmten blonden Haar, kratzte sich damit den Kopf. „Reichlich jung und reichlich schmal bist du, um allein kreuz und quer durchs Land zu ziehen. Hast du denn keine Eltern?“
„Doch“, sagte Delia, „das ist es ja gerade! Ich suche meinen Vater. Darum bin ich ja überhaupt hier reingekommen, um nach ihm zu fragen. Im Laden haben sie nichts von ihm gewusst.“
„Er soll hier in Sacramento leben?“ fragte Lilly, nahm den Mops auf den Arm und begann ihn nachdenklich zu streicheln.
„Nein. Aber er könnte hier durchgekommen sein. Ursprünglich ist er in den Westen gekommen, um Land zu erwerben. Aber unterwegs soll er von Indianern überfallen und ausgeraubt worden sein. Ein Mann namens Bill, der Trapper, hat ihn dann gesundgepflegt, und dem hat er gesagt, er wolle unter die Goldgräber gehen.“
„So“, sagte Lilly, „und wie sieht er aus, dein Vater?“
„Er ist groß, hat braune Augen, braunes Haar und sieht ähnlich aus wie ich, das heißt, ich sehe natürlich meinem Vater ähnlich. Nur dass er ein Mann ist und einen Bart trägt. Und eine Narbe hat er auch auf der Stirn und … und ...“
„Wie heißt er denn?“
„Konrad Körner ... der Trapper nannte ihn Konny!“
Plumps, ließ Lilly den Mops fallen und riss das Gewehr hoch. „Du lügst!“ schrie sie böse.
Der Professor bellte empört — eine solche Behandlung war er wirklich nicht gewöhnt.
Delia starrte Lilly ganz erstaunt an — was hatte die bloß! „Aber nein“, sagte sie. „Ich lüge nicht … das heißt, manchmal schwindle ich schon ... aber das mit meinem Vater ist die reine Wahrheit! Warum sollte ich Ihnen denn einen Bären aufbinden wollen?“
„Das weiß ich nicht“, erklärte Lilly streng. „Ich weiß nur, dass du lügst!“
Delia sah Lilly an. Nein, sie konnte sich nicht vorstellen, dass diese rundliche freundliche Frau tatsächlich auf sie schießen würde, auch wenn sie sich noch so fest einbildete, sie bei einer Lüge ertappt zu haben. Sie hatte jetzt keine Angst mehr. „Wahrscheinlich“, sagte sie, „ist alles ein Irrtum, ich meine, es kann sich doch nur um ein Missverständnis handeln ... wie kommen Sie
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