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Delia und der Sohn des Häuptlings

Delia und der Sohn des Häuptlings

Titel: Delia und der Sohn des Häuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Louise Fischer
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möglicherweise wirklich oder noch mehr zu verirren, oder sie schlugen sich in Richtung auf das Feuer durch, wobei es ihnen passieren konnte, dass man sie gefangen nahm.
    Wieder einmal bewies Akitu, dass er der echte Sohn eines Häuptlings war. Ohne zu zögern, übernahm er die Verantwortung. „Folge mir“, befahl er, „aber leise. Tapferes Eichhörnchen muss jetzt sehr leise sein und der Professor auch.“
    Obwohl Delia selbst noch nichts von dem fernen Feuer roch, begriff sie doch, dass Akitu vorhatte, sich den lagernden Indianern zu nähern. Er benutzte jetzt sein Jagdmesser nicht mehr, sondern arbeitete sich im Zickzack voran, indem er sich immer da durch Sträucher und Schlingpflanzen drängte, wo sie am dünnsten waren. Delia folgte seinem Beispiel.
    Es war ihr unbegreiflich, wie er so überhaupt eine feste Richtung einhalten konnte, aber nach einer knappen Stunde stieg auch ihr der Geruch einer Feuerstelle in die Nase. Sie hatte wieder einmal Grund, ihren Freund zu bewundern.
    Jetzt drehte er sich um. „Tapferes Eichhörnchen hierbleiben“, zischte er, „auf Akitu warten!“
    Das war Delia gar nicht recht, denn ohne ihn war es ihr unheimlich, so mutterseelenallein mitten im Urwald. Selbst die Gesellschaft des Professors war in dieser Situation ein schwacher Trost. Aber ehe sie noch protestieren konnte, war der Indianerjunge, geschmeidig wie eine Schlange, schon in die grüne Düsternis des Waldes hineingeglitten.
    Es war fast Nacht geworden. In den hohen Bäumen rauschte und wisperte es. Funkelnde Augen starrten Delia aus der Dunkelheit an, Tiere, die sie nicht erkennen konnte und von denen sie nicht wusste, ob sie harmlos oder gefährlich waren. Der Mops knurrte.
    Wenn der Professor Angst hat, dachte Delia, darf ich es eigentlich auch, und wäre beinahe in Tränen ausgebrochen.
    „Ha!“ sagte sie laut, um sich selbst Mut zu machen. „Schließlich heiße ich ja nicht umsonst Tapferes Eichhörnchen! Jetzt werde ich meinem Namen Ehre machen!“
    Sie stand gerade unter einem riesigen Baum. Ob es eine Ulme, eine Buche, eine Korkeiche oder ein anderer Baum war, den sie nicht einmal mit Namen kannte, hätte sie nicht sagen können. Aber als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und den Stamm abtastete, stellte sie fest, dass die Rinde ziemlich glatt und dass es bis zur ersten Gabelung eines Astes nicht weit war.
    Rasch entschlossen schnitt sie ein paar starke Lianen ab, flocht aus ihnen eine Art Geschirrchen, band es dem Professor um den Brustkorb, nahm die beiden Enden und begann ihre Kletterpartie.
    Nach der dritten Gabelung gelangte sie auf eine Art breiten Sitz, der Platz für einen Menschen und außerdem noch für einen Mops bot.
    Vorsichtig, vorsichtig, ganz langsam zog Delia ihren Mops in die Höhe und stand dabei Todesängste aus, dass die Pflanzenseile reißen und der Hund in die Tiefe plumpsen könnte. Der Professor tat während der ganzen Reise keinen Muckser.
    Endlich war es geschafft und sie hielt ihn in den Armen. Er wackelte mit seinem kleinen Körper so heftig hin und her, dass Delia fast das Gleichgewicht verloren hätte. Seine raue Zunge fuhr ihr wieder und wieder über das Gesicht.
    „Schon gut, Professor“, sagte sie besänftigend. „Ich weiß ja, dass du mich lieb hast. Nein, nein, ich denke gar nicht daran, dich allein zu lassen … was sollte ich denn ohne dich anfangen?“
    Hier oben, in luftiger Höhe, begann sie sich schon wohler zu fühlen. Sie richtete sich auf. „Platz“, sagte sie, „schön Platz, Professor! Bleib, wo du bist, sonst fällst du runter!“ Und dann begann sie, Zug um Zug, weiter nach oben zu klettern, immer höher und höher.
    Endlich sah sie den Himmel durch das grüne Laub schimmern. Es war gar nicht so spät, wie sie unten geglaubt hatte. Der Himmel war noch hell, wenn auch schon ein blasser Mond zu sehen war.
    Durch Zufall hatte sie für ihren Aufstieg einen der höchsten Bäume erwischt, und jetzt konnte sie den Urwald überblicken, der sich unter ihr wie ein grünes Meer ausdehnte.
    Aber sie sah noch mehr, als sie eine Gabelung höher kletterte — eine riesige Lichtung, in deren Mitte ein loderndes Feuer brannte.
    Delia wusste sofort, dass dies das Feuer war, das Akitu gewittert hatte. Im Kreis um das Feuer herum saßen Indianer, Hunderte von Indianern. Sie saßen mit gekreuzten Beinen, regungslos, und starrten in die Glut. Delia war ganz sicher, dass sie sie niemals oben im dunklen Laub entdecken konnten, dennoch zog sie unwillkürlich den Kopf

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