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Delirium

Delirium

Titel: Delirium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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glücklicher sind, zuckt er die Achseln und sagt: »Sie vermissen auch den Schmerz.«
    Das kann ich kaum glauben und er sieht mich aus den Augenwinkeln an und sagt: »Dann verliert man die Leute wirklich, weißt du? Wenn sie keinen Schmerz mehr spüren.«
    Meistens erzählt er jedoch von der Wildnis und den Menschen, die dort leben, und ich lege den Kopf auf seine Brust, schließe die Augen und träume davon: von einer Frau, die alle Crazy Caitlin nennen und die riesige Windspiele aus Schrottteilen und zerquetschten Getränkedosen baut; von Grandpa Jones, der mindestens neunzig sein muss, aber immer noch täglich im Wald herumwandert, Beeren sammelt und Wildtiere fängt; von Lagerfeuern unter freiem Himmel und davon, unter den Sternen zu schlafen und lange aufzubleiben, um zu singen, zu reden und zu essen, während der Rauch zum Nachthimmel hochsteigt.
    Ich weiß, dass er immer noch manchmal dorthin zurückkehrt, und ich weiß, dass er die Wildnis immer noch als sein eigentliches Zuhause betrachtet. Einmal spricht er es fast aus, als ich bedaure, dass ich nicht mit ihm nach Hause gehen kann, um mir sein Apartment in der Forsyth Street anzuschauen. Dort wohnt er, seit er mit dem Studium angefangen hat – wenn mich einer seiner Nachbarn mit ihm das Haus betreten sähe, wären wir geliefert. Aber er verbessert mich schnell: »Das ist nicht mein Zuhause.«
    Er verrät mir, dass er und die anderen Invaliden einen Weg gefunden haben, in die Wildnis und wieder zurück zu gelangen, aber als ich ihn nach Einzelheiten frage, schweigt er.
    Â»Vielleicht kommst du irgendwann selbst dorthin«, sagt er nur und ich finde die Vorstellung ebenso unheimlich wie aufregend.
    Ich frage ihn nach dem Mann meiner Cousine, dem die Flucht gelang, bevor er vor Gericht gestellt werden konnte, aber Alex runzelt die Stirn und schüttelt den Kopf.
    Â»Kaum jemand in der Wildnis benutzt seinen wirklichen Namen«, sagt er achselzuckend. »Er kommt mir allerdings nach deiner Beschreibung auch nicht bekannt vor.« Aber er erklärt, dass es Tausende und Abertausende von Siedlungen im ganzen Land gibt. Marcias Mann könnte sonst wo sein – im Norden, Süden oder Westen. Wir wissen wenigstens, dass er nicht nach Osten gegangen ist; dann wäre er im Meer gelandet. Alex sagt, dass es mindestens so viele Quadratkilometer Wildnis in den USA gibt wie anerkannte Städte. Das kommt mir völlig unvorstellbar vor, und als ich es Hana erzähle, glaubt sie es auch kaum.
    Alex ist auch ein guter Zuhörer und kann stundenlang schweigen, während ich ihm davon berichte, wie ich bei Carol aufgewachsen bin und dass alle denken, Grace könne nicht sprechen, und nur ich die Wahrheit kenne. Er lacht laut, als ich ihm Jenny beschreibe mit ihrem verkniffenen Blick und dem Gesichtsausdruck einer alten Frau und ihrer Art, hochnäsig auf mich herabzusehen, als wäre ich die Neunjährige.
    Es tut gut, mit ihm über meine Mutter zu reden und darüber, wie es war, als sie noch lebte und wir nur zu dritt waren – ich, sie und Rachel. Ich erzähle ihm von den Sockenpartys und davon, wie unsere Mutter uns immer Schlaflieder vorgesungen hat, auch wenn ich mich nur an ein paar Bruchstücke der Lieder erinnern kann. Vielleicht liegt es daran, dass er so ruhig zuhört, mich mit seinen leuchtenden warmen Augen direkt ansieht und mich nie verurteilt. Einmal erzähle ich ihm sogar von den letzten Worten, die meine Mutter je zu mir gesagt hat, und er sitzt einfach nur da und streichelt meinen Rücken, als ich plötzlich das Gefühl habe, gleich weinen zu müssen. Es geht vorbei. Die Wärme seiner Hände vertreibt es.
    Und wir küssen uns natürlich. Wir küssen uns so oft, dass es sich direkt seltsam anfühlt, wenn wir uns nicht küssen, als hätte ich mich daran gewöhnt, durch seine Lippen und in seinen Mund zu atmen.
    Während wir uns vertrauter werden, beginne ich langsam auch andere Teile seines Körpers zu erforschen. Das zarte Gerüst seiner Rippen unter seiner Haut, seine Brust und seine Schultern, die wie gemeißelter Stein sind, die weichen und lockigen hellen Haare auf seinen Beinen, die Art, wie seine Haut immer ein bisschen nach Meer riecht – schön und seltsam. Noch verrückter ist, dass ich zulasse, dass er auch mich ansieht. Erst erlaube ich ihm nur, mein T-Shirt zur Seite zu schieben und mein Schlüsselbein und meine

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