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Delirium

Delirium

Titel: Delirium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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Nummern zu groß ist.
    Hana sieht zur Seite und beißt sich auf die Lippe. Seit jener Nacht auf der Party habe ich nicht mehr mit ihr gesprochen und ich versuche angestrengt, mir irgendwas einfallen zu lassen, das ich zu ihr sagen könnte, irgendwas Beiläufiges und Normales. Es kommt mir plötzlich unglaublich vor, dass das hier mal meine beste Freundin war, dass wir tagelang zusammen sein konnten, ohne dass uns die Gesprächsthemen ausgingen, dass ich vor lauter Lachen mit Halsschmerzen von ihr nach Hause kam. Jetzt kommt es mir vor, als wäre eine Glaswand zwischen uns, unsichtbar, aber auch undurchdringlich.
    Schließlich fällt mir etwas ein: »Ich habe meine Partnerliste bekommen«, während Hana gleichzeitig herausplatzt: »Warum hast du mich nicht zurückgerufen?«
    Wir halten beide kurz erschrocken inne und fangen dann wieder an zu reden. Ich frage: »Du hast angerufen?«, und Hana fragt: »Hast du dir schon einen ausgesucht?«
    Â»Du zuerst«, sage ich.
    Hana fühlt sich offensichtlich unbehaglich. Sie sieht den Himmel an, ein kleines Kind, das in einem zu großen Badeanzug auf der anderen Straßenseite steht, die zwei Männer, die Unmengen Zeug auf einen Lastwagen weiter unten auf der Straße laden – alles außer mir. »Ich habe dir ungefähr drei Nachrichten hinterlassen.«
    Â»Ich habe keine Nachrichten bekommen«, sage ich schnell, während sich mein Herzschlag beschleunigt. Wochenlang war ich sauer, dass Hana sich nach der Party nicht gemeldet hat – sauer und verletzt. Aber ich sagte mir, dass es besser so sei. Ich sagte mir, Hana habe sich verändert und wahrscheinlich hätten wir uns sowieso nicht mehr viel zu sagen. Hana sieht mich an, als versuchte sie zu beurteilen, ob ich die Wahrheit sage. »Carol hat dir nicht ausgerichtet, dass ich angerufen habe?«
    Â»Nein, ich schwör’s.« Ich bin dermaßen erleichtert, dass ich lachen muss. In diesem Augenblick wird mir klar, wie sehr ich Hana vermisst habe. Selbst wenn sie sauer auf mich ist, ist sie die Einzige, die sich je freiwillig um mich gekümmert hat, nicht auf Grund von familiären Zwängen, Pflichtgefühl oder Verantwortungsbewusstsein und all dem anderen Kram, der laut dem Buch Psst so furchtbar wichtig ist. Alle anderen in meinem Leben – Carol und alle meine Cousins und Cousinen, die anderen Mädchen in der St.-Anne-Schule, sogar Rachel – haben nur Zeit mit mir verbracht, weil sie mussten. »Ich hatte keine Ahnung.«
    Hana lacht allerdings nicht. Sie runzelt die Stirn. »Ist ja auch egal. War nicht so wichtig.«
    Â»Hör zu, Hana …«
    Sie unterbricht mich. »Wie gesagt, war nicht so wichtig.« Sie verschränkt die Arme und zuckt mit den Schultern. Ich weiß nicht, ob sie mir glaubt oder nicht, aber es ist offensichtlich, dass die Dinge sich wirklich verändert haben. Das hier wird kein großes, glückliches Wiedersehen mehr. »Du hast also deine Partnerliste bekommen?«
    Ihre Stimme klingt jetzt höflich und leicht formell, deshalb schlage ich denselben Tonfall an. »Brian Scharff. Ich habe angenommen. Und du?«
    Sie nickt. Ein Muskel zuckt in ihrem Mundwinkel, kaum wahrnehmbar. »Fred Hargrove.«
    Â»Hargrove. Wie der Bürgermeister?«
    Â»Sein Sohn.« Hana nickt, sieht wieder weg.
    Â»Wow. Gratuliere.« Ich bin unweigerlich beeindruckt. Hana muss bei der Evaluierung super abgeschnitten haben. Nicht, dass mich das wirklich überraschen würde.
    Â»Ja. Ich Glückliche.« Hanas Stimme ist vollkommen tonlos. Ich weiß nicht, ob sie es sarkastisch meint. Aber sie kann sich wirklich glücklich schätzen, ob ihr das nun bewusst ist oder nicht. Und obwohl wir auf demselben sonnenüberfluteten Bürgersteig stehen, könnten wir genauso gut hunderttausend Kilometer voneinander entfernt sein.
    Andere Herkunft, anderes Ziel – das ist ein altes Sprichwort, das Carol oft zitiert. Ich habe bisher nie verstanden, wie viel Wahrheit darin steckt.
    Wahrscheinlich hat Carol mir deshalb nicht gesagt, dass Hana angerufen hat. Drei Anrufe vergisst man nicht einfach so und normalerweise ist Carol in solchen Dingen sehr gewissenhaft. Vielleicht wollte sie nur das Unvermeidliche beschleunigen, uns beiden ins Ziel helfen, an die Stelle, wo wir nicht mehr befreundet sind. Sie weiß, dass wir nach dem Eingriff – sobald die Vergangenheit und unsere gemeinsamen Erfahrungen

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