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Delirium

Delirium

Titel: Delirium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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hast.« Der defektive Detektiv ist diese Filmserie, die Hana und ich geliebt haben, als wir klein waren, über einen berühmten Detektiv, der eigentlich vollkommen unfähig ist, und seinen Partner, einen Hund. Am Ende löst immer der Hund alle Fälle. Die Hauptrolle wurde von vielen verschiedenen Schauspielern gespielt, aber unser Liebling war Michael Wynn. Als wir Kinder waren, malten wir uns immer aus, wie es wäre, ihn als Partner zugeteilt zu bekommen.
    Â»Heute Abend?« Hanas Lächeln schwindet und mein Magen zieht sich zusammen. Gott, bin ich blöd, denke ich. Es spielt sowieso keine Rolle.
    Â»Schon okay, wenn du nicht kannst. Ist egal. War bloß so ’ne Idee«, sage ich schnell und sehe weg, damit sie nicht merkt, wie enttäuscht ich bin.
    Â»Nein … ich meine, ich würde wirklich gerne, aber …« Hana atmet geräuschvoll ein. Ich hasse das, hasse es, dass wir beide so verlegen sind. »Da ist diese Party« – sie verbessert sich schnell –, »diese Sache, wo ich mit Angelica Marston hinsoll.«
    Mein Bauch fühlt sich plötzlich hohl an. Es ist erstaunlich, dass Worte so was bewirken können, einfach dein Inneres zerhacken. Stöcke und Steine brechen nur die Beine, doch Schmerzen durch Wörter habe ich keine – was für ein Blödsinn! »Seit wann triffst du dich denn mit Angelica Marston?«
    Ich gebe mir erneut Mühe, nicht zu bitter zu klingen, aber mir wird bewusst, dass ich mich anhöre wie eine weinerliche kleine Schwester, die sich beklagt, dass sie nicht mitspielen darf. Ich beiße mir auf die Lippe und wende mich ab, wütend über mich selbst.
    Â»Sie ist gar nicht so übel«, sagt Hana sanft. Ich kann es aus ihrer Stimme heraushören: Ich tue ihr leid. Das ist schlimmer als alles andere. Ich wünschte beinahe, wir würden uns wieder anschreien wie an jenem Tag bei ihr zu Hause – selbst das wäre besser als ihr vorsichtiger Tonfall, die Art, wie wir umeinander herumtänzeln. »Sie ist nicht mal arrogant. Sondern wahrscheinlich einfach nur schüchtern.«
    Angelica Marston war letztes Jahr in der elften Klasse. Hana hat sich immer lustig über sie gemacht wegen der Art, wie sie ihre Schuluniform trug. Die war immer perfekt gebügelt und makellos, der Kragen ihrer Bluse genau an der richtigen Stelle gefaltet, ihr Rock schloss exakt am Knie ab. Hana sagte, Angelica Marston hätte einen Stock im Arsch, weil ihr Vater ein großer Wissenschaftler in den Labors war. Und sie lief wirklich so, immer ganz gehemmt und vorsichtig.
    Â»Früher konntest du sie nicht ausstehen«, quieke ich. Meine Wörter scheinen mein Gehirn nicht um Erlaubnis zu fragen, bevor sie mir aus dem Mund springen.
    Â»Das stimmt so nicht«, sagt Hana, als versuchte sie einer Zweijährigen Algebra zu erklären. »Ich kannte sie einfach nicht. Ich fand sie immer bescheuert, wegen ihrer Klamotten und so. Aber das kommt alles von ihren Eltern. Die sind total streng, echt überfürsorglich und so.« Hana schüttelt den Kopf. »Sie ist überhaupt nicht so. Sie ist … anders.«
    Das Wort scheint kurz in der Luft zu vibrieren: anders . Einen Augenblick habe ich ein Bild von Hana und Angelica vor mir, untergehakt, während sie sich das Lachen verkneifen und nach Anbruch der Ausgangssperre durch die Straßen schleichen: die furchtlose, hübsche und witzige Angelica, genau wie Hana. Ich schiebe das Bild beiseite. Am anderen Ende der Straße tritt eins der Kinder fest gegen die Dose. Sie schlittert zwischen zwei verbeulten silbernen Mülltonnen auf der Straße hindurch, ein provisorisches Tor. Die Hälfte der Kinder springt auf und ab und reckt die Fäuste. Die andere, darunter Jenny, gestikuliert und brüllt irgendwas über Abseits. Mir wird zum ersten Mal bewusst, wie hässlich meine Straße in Hanas Augen aussehen muss, all die zusammengedrängten Häuser, bei denen die Hälfte der Scheiben fehlt, Veranden, die in der Mitte durchhängen wie alte, durchgelegene Matratzen. Sie ist so anders als die sauberen, ruhigen Straßen im West End mit ihren leisen, glänzenden Autos, den großen Toren und den grünen Hecken.
    Â»Du könntest ja mitkommen«, sagt Hana leise.
    Eine Welle des Hasses schlägt über mir zusammen. Hass auf mein Leben, auf seine Enge; Hass auf Angelica Marston mit ihrem geheimnistuerischen Lächeln und ihren reichen Eltern;

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