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Delirium

Delirium

Titel: Delirium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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ihren Einfluss auf uns verlieren, sobald wir unsere Erinnerungen nicht mehr so stark spüren – nichts mehr miteinander teilen werden. Carol hat wahrscheinlich auf ihre Art versucht, mich zu beschützen.
    Es hat keinen Zweck, sie deswegen zur Rede zu stellen. Sie wird es nicht abstreiten. Sie wird mir nur einen ihrer ausdruckslosen Blicke zuwerfen und einen Spruch aus dem Buch Psst abspulen: » Gefühle halten nicht ewig. Die Zeit wartet auf niemanden, der Fortschritt aber wartet darauf, dass der Mensch ihn in die Hand nimmt.«
    Â»Gehst du nach Hause?« Hana sieht mich immer noch an, als wäre ich eine Fremde.
    Â»Ja«, sage ich. Ich zeige auf mein T-Shirt. »Ich hab mir gedacht, ich geh besser rein, bevor ich jemanden damit blende.«
    Ein Lächeln huscht über Hanas Gesicht. »Ich begleite dich«, sagt sie, was mich überrascht.
    Eine Weile lang gehen wir schweigend nebeneinanderher. Es ist nicht allzu weit bis zu mir und ich habe Angst, wir werden den ganzen Weg über kein Wort sprechen. Ich habe Hana noch nie so schweigsam erlebt, und das beunruhigt mich.
    Â»Wo kommst du her?«, frage ich, nur um irgendwas zu sagen.
    Hana zuckt neben mir zusammen, als hätte ich sie aus einem Traum geweckt. »East End Beach«, sagt sie. »Ich habe einen strengen Bräunungsplan.«
    Sie hält ihren Arm neben meinen. Er ist mindestens sieben Nuancen dunkler als meiner, der immer noch blass ist, vielleicht ein bisschen sommersprossiger als im Winter. »Du nicht, was?« Diesmal lächelt sie echt.
    Â»Ã„h, nein. Ich war nicht oft am Strand.« Ich versuche mit aller Kraft die Röte aus meinem Gesicht zu vertreiben.
    Glücklicherweise bemerkt Hana nichts, oder wenn, sagt sie nichts. »Ich weiß. Ich habe Ausschau nach dir gehalten.«
    Â»Wirklich?« Ich werfe ihr aus den Augenwinkeln einen Blick zu.
    Sie verdreht die Augen. Ich bin froh, dass ihre normale Miene zurück ist. »Nicht aktiv. Aber ich war ein paarmal dort, ja. Hab dich nicht gesehen.«
    Â»Ich hab viel gearbeitet«, sage ich. Ich füge nicht hinzu: und zwar gerade, um nicht zum East End Beach zu gehen.
    Â»Läufst du noch?«
    Â»Nein. Zu heiß.«
    Â»Stimmt. Ich auch nicht. Ich dachte, ich mache besser Pause bis zum Herbst.« Wir gehen wieder ein paar Schritte schweigend und dann zwinkert Hana mir mit schräg gelegtem Kopf zu. »Und sonst?«
    Ihre Frage trifft mich unvorbereitet. »Was meinst du mit und sonst? «
    Â»Genau das meine ich. Ich meine: Und sonst? Komm schon, Lena. Das ist unser letzter Sommer, schon vergessen? Der letzte Sommer in Freiheit, ohne Verantwortung und blablabla, all das Gute. Also, was hast du so gemacht? Wo bist du gewesen?«
    Â»Ich … nichts. Ich habe nichts gemacht.« Darum ging es mir ja – keine Schwierigkeiten zu bekommen, so wenig wie möglich zu machen –, aber als ich die Worte ausspreche, werde ich irgendwie traurig. Der Sommer scheint sich mit rasender Geschwindigkeit zu verkürzen, zu einem kleinen Punkt zu schrumpfen, bevor ich auch nur die Gelegenheit hatte, ihn zu genießen. Es ist schon beinahe August. In ungefähr fünf Wochen wird der Wind sich nachts bemerkbar machen und die Blätter werden goldene Ränder bekommen. »Und was ist mit dir?«, frage ich. »Hattest du einen schönen Sommer?«
    Â»Das Übliche.« Hana zuckt die Achseln. »Wie gesagt, ich war viel am Strand. Hab ein bisschen für die Farrels babygesittet.«
    Â»Echt?« Ich rümpfe die Nase. Hana mag eigentlich keine Kinder. Sie sagt immer, sie seien klebrig wie Bonbons, die man zu lange in einer warmen Tasche hatte.
    Sie schneidet eine Grimasse. »Ja, leider. Meine Eltern haben beschlossen, ich sollte ݟben, einen Haushalt zu führen‹ oder irgend so einen Scheiß. Stell dir vor, ich muss sogar einen richtigen Haushaltsplan für ein bestimmtes Budget aufstellen. Als würde ich durch die Überlegung, wie ich am besten sechzig Dollar pro Woche ausgebe, etwas übers Rechnungenbezahlen oder Verantwortung oder so was lernen.«
    Â»Wieso das denn? Du wirst doch sowieso kein beschränktes Budget haben.« Das sollte nicht bitter klingen, aber da ist er wieder, der Unterschied zwischen unseren Zukunftsaussichten.
    Danach gehen wir schweigend weiter. Hana wendet den Blick ab, blinzelt leicht in die Sonne. Vielleicht bin ich nur traurig darüber, wie schnell der Sommer

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