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Delirium

Delirium

Titel: Delirium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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auf der Veranda höre ich sie überhaupt – entfernte, gedämpfte Melodien, die durch die Dielen zu dringen scheinen. Es muss einen Keller geben.
    Auf dem Weg hierher habe ich mich beeilt, aber jetzt zögere ich, meine Hand an der Haustür, die Handfläche glitschig vom Schweiß. Ich habe mir nicht viele Gedanken darüber gemacht, wie ich alle da rausholen soll. Einfach was von einer Razzia zu rufen wird Panik verursachen. Alle werden gleichzeitig auf die Straße strömen, und dann ist die Wahrscheinlichkeit, unentdeckt nach Hause zu kommen, gleich Null. Irgendjemand wird bestimmt was hören; die Aufsehergruppen werden dem auf den Grund gehen und dann sind wir alle geliefert.
    Ich verbessere mich in Gedanken. Sie sind geliefert. Ich bin nicht wie diese Leute auf der anderen Seite der Tür. Ich bin nicht sie.
    Aber dann muss ich daran denken, wie Riley gezittert hat und anschließend reglos liegen blieb. Zu diesen Leuten gehöre ich auch nicht, zu denen, die das getan haben, die dabei zugesehen haben. Noch nicht mal die Richardsons haben sich um ihn bemüht, um ihren eigenen Hund. Sie haben ihn noch nicht mal zugedeckt, als er im Sterben lag.
    So etwas würde ich nie tun. Niemals, nie im Leben. Selbst wenn ich eine Million Eingriffe hinter mir hätte. Er hat noch gelebt. Sein Herz schlug, sein Blut floss und er atmete, und sie haben ihn da liegenlassen wie Müll.
    Sie. Ich. Wir. Sie. Die Worte flitzen in meinem Kopf hin und her. Ich wische mir die Handflächen hinten an meiner Hose ab und öffne die Tür.
    Hana hat gesagt, diese Party wäre kleiner, aber mir kommt sie noch voller vor als die letzte, vielleicht weil die Zimmer winzig und voller Menschen sind. Über allem schimmert ein erstickender Vorhang aus Zigarettenrauch und es sieht so aus, als schwämmen alle unter Wasser. Es ist höllisch heiß hier drin, mindestens zehn Grad wärmer als draußen – Leute bewegen sich langsam, haben ihre kurzen Ärmel bis zu den Schultern hochgerollt, ihre Jeans bis zu den Knien hochgekrempelt, und auf der bloßen Haut liegt ein funkelnder Glanz. Einen Moment kann ich einfach nur dastehen und schauen. Ich denke: Hätte ich doch eine Kamera dabei. Wenn ich die Tatsache ignoriere, dass Hände Hände berühren und Körper aneinanderstoßen und noch tausend Sachen passieren, die fürchterlich und falsch sind, sieht es irgendwie schön aus.
    Dann wird mir klar, dass ich Zeit verschwende.
    Direkt vor mir steht ein Mädchen und versperrt mir den Weg. Sie hat mir den Rücken zugekehrt. Ich strecke die Hand aus und lege sie ihr auf den Arm. Ihre Haut ist so heiß, dass es brennt. Sie wendet sich mit rotem, erhitztem Gesicht zu mir um und dreht den Kopf zur Seite, um mich verstehen zu können.
    Â»Sie machen eine Razzia«, sage ich zu ihr, überrascht, dass meine Stimme so fest klingt.
    Die Musik klingt gedämpft, aber hartnäckig – sie kommt garantiert aus einer Art Keller –, nicht so verrückt wie letztes Mal, aber genauso seltsam und genauso großartig. Sie ist warm, fließend und erinnert mich an Honig und Sonnenlicht und rote Blätter, die im Wind zu Boden schweben. Aber die verschiedenen Gesprächsschichten und das Knarren der Schritte auf den Dielen erschweren das Hören.
    Â»Was?« Sie streicht sich die Haare hinters Ohr.
    Ich klappe den Mund auf, um Razzia zu sagen, aber statt meiner Stimme ertönt die von jemand anderem: eine laute, mechanische Stimme bellt von draußen, eine Stimme, die von allen Seiten gleichzeitig zu erbeben und zu knattern scheint, eine Stimme, die durch die Wärme und die Musik schneidet wie eine kalte Rasierklinge durch Haut. Gleichzeitig beginnt der Raum sich zu drehen, wirbelnde rote und weiße Lichter, die über entsetzten, erstarrten Gesichtern kreisen.
    Â»Achtung. Dies ist eine Razzia. Keiner verlässt den Raum. Widerstand ist zwecklos. Dies ist eine Razzia.«
    Ein paar Sekunden später fliegt die Tür nach innen auf und alles erstarrt im weißen Scheinwerferlicht, so hell wie die Sonne, und wird in Staub und Statuen verwandelt.
    Dann lassen sie die Hunde los.

vie r zehn
    Der Mensch im Naturzustand ist unberechenbar, sprunghaft und unglücklich.
Erst wenn seine animalischen Triebe unter Kontrolle gebracht sind,
kann er verantwortungsbewusst, verlässlich und zufrieden leben.
    Das Buch Psst
    I ch habe mal einen Bericht über einen Braunbären

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