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Delirium

Delirium

Titel: Delirium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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scheinen sie nur noch träger zu werden. Ich sehe, wie eine Kundin in dem schmalen Gang mit den sogenannten Frischeprodukten in der Nase bohrt; ich sehe auf die Uhr; sehe wieder die Kundin an; sehe zurück zur Uhr – und die Sekunde ist immer noch nicht verstrichen. Ich fürchte, dass die Zeit gänzlich stehenbleibt, während diese Frau ihren rosa Finger in ihrem rechten Nasenloch vergraben hat, direkt vor der Kiste mit welkem Salat.
    Mittags habe ich eine Viertelstunde Pause. Ich gehe nach draußen und setze mich auf den Bürgersteig, wo ich ein paar Bissen von einem Sandwich runterwürge, obwohl ich keinen Hunger habe. Die Vorfreude darauf, Alex wiederzusehen, verträgt sich nicht sonderlich mit meinem Appetit. Ein weiteres Anzeichen der Deliria.
    Und wennschon!
    Um eins fängt Jed an, die Regale aufzufüllen, und ich sitze immer noch hinter der Kasse fest. Es ist extrem heiß und im Laden ist eine Fliege, die die ganze Zeit rumsummt und immer wieder gegen das Regal über meinem Kopf stößt, wo wir ein paar Schachteln Zigaretten und Medikamente gegen Sodbrennen und solche Sachen aufbewahren. Das Brummen der Fliege, der kleine Ventilator hinter mir und die Hitze machen mich schläfrig. Wenn ich könnte, würde ich den Kopf auf den Tresen legen und träumen, träumen, träumen. Ich würde träumen, dass ich wieder mit Alex im Schuppen säße. Ich würde von seiner festen Brust träumen, die sich an meine gepresst hat, und von seinen starken Händen und seiner Stimme.
    Die Klingel über dem Eingang läutet einmal und ich schrecke aus meinem Tagtraum hoch.
    Und da ist er, tritt durch die Tür, die Hände in den Taschen seiner ausgefransten Badeshorts. Seine Haare stehen verrückt vom Kopf ab, als bestünden sie aus Blättern und Zweigen. Alex.
    Ich kippe beinahe von meinem Stuhl.
    Er grinst mich kurz von der Seite an und geht dann gemütlich die Gänge entlang, wobei er völlig willkürlich irgendwelche Sachen einsammelt – darunter eine Tüte Schweinekrusten und eine Dose echt eklige Blumenkohlsuppe – und übertrieben interessierte Kommentare abgibt wie: »Das sieht ja lecker aus.« Ich kann mir nur mit Mühe das Lachen verkneifen. An einer Stelle muss er sich an Jed vorbeiquetschen – die Gänge im Laden sind ziemlich eng und Jed ist nicht gerade ein Leichtgewicht – und als Jed ihn kaum eines Blickes würdigt, werde ich ganz aufgeregt. Er weiß es nicht. Er weiß nicht, dass ich noch immer Alex’ Lippen auf meinen fühlen kann, noch immer spüre, wie seine Hand über meine Schultern streicht.
    Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich etwas für mich getan, weil ich es wollte, und nicht, weil mir irgendjemand dazu geraten hat. Als Alex durch den Laden geht, hält uns ein unsichtbares Band zusammen, und irgendwie fühle ich mich davon mächtiger als je zuvor.
    Schließlich kommt Alex mit einem Päckchen Kaugummi, einer Tüte Chips und einem Ginger Ale an die Kasse.
    Â»Ist das alles?«, frage ich, darum bemüht, dass meine Stimme unbeteiligt klingt. Aber ich spüre, wie meine Wangen rot anlaufen. Seine Augen sind heute unglaublich, fast pures Gold.
    Er nickt. »Das ist alles.«
    Ich tippe alles mit zitternden Händen ein und würde so gerne noch etwas sagen, habe aber Angst, dass Jed es hören könnte. Da kommt ein weiterer Kunde herein, ein älterer Mann, der aussieht wie ein Aufseher. Also zähle ich Alex’ Wechselgeld, so langsam und sorgfältig ich kann, damit er so lange wie möglich vor mir stehen bleibt.
    Aber man kann nicht endlos das Wechselgeld auf einen Fünfdollarschein rausgeben. Schließlich reiche ich Alex das Geld. Unsere Finger berühren sich, als ich die Scheine in seine Hand lege, und ein Stromstoß durchfährt mich. Ich will nach ihm greifen, ihn an mich ziehen, ihn genau hier küssen.
    Â»Einen wunderschönen Tag noch.« Meine Stimme klingt schrill, erstickt. Ich bin überrascht, dass ich die Worte überhaupt rausbringe.
    Â»Oh, den werd ich haben.« Er schenkt mir sein unglaubliches, schiefes Lächeln, während er rückwärts auf die Tür zugeht. »Ich will noch zur Bucht runter.«
    Und dann ist er weg, dreht sich um und tritt auf die Straße hinaus. Ich will ihm nachsehen, aber die Sonne blendet mich und er wird zu einem blitzenden, verschwommenen Schatten, der schwankt und dann

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