Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delirium

Delirium

Titel: Delirium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
Vom Netzwerk:
bedeuten.
    Als er sich schließlich von mir löst, ist es, als hätte sich eine Decke über mein Gehirn gesenkt und all meine dröhnenden Gedanken und Fragen zum Verstummen gebracht, mich mit Ruhe und Glück gefüllt, die so tief reichen und so kühl sind wie Schnee. Das einzige Wort, das noch übrig ist, ist Ja. Ja zu allem.
    Ich mag dich wirklich, Lena. Glaubst du mir jetzt?
    Ja.
    Darf ich dich nach Hause bringen?
    Ja.
    Treffen wir uns morgen?
    Ja, ja, ja.
    Die Straßen sind jetzt leer. Die gesamte Stadt liegt still und ruhig da. Die gesamte Stadt hätte einfach verschwinden können oder abbrennen, während wir im Schuppen saßen, und ich hätte es nicht bemerkt. Der Nachhauseweg ist verschwommen, ein Traum. Alex hält den ganzen Weg über meine Hand und wir bleiben zweimal in den längsten, dunkelsten Schatten stehen, um uns wieder zu küssen. Beide Male wünschte ich, die Schatten wären massiv, hätten Gewicht und würden sich um uns schließen und uns begraben, so dass wir für immer so stehen bleiben könnten, Brust an Brust, Lippen an Lippen. Beide Male spüre ich, wie sich etwas um meinen Oberkörper schnürt, wenn er sich von mir löst und meine Hand nimmt und wir weitergehen müssen, ohne uns zu küssen. Als könnte ich plötzlich nur noch richtig atmen, wenn wir uns küssen.
    Irgendwie – viel zu bald – bin ich zu Hause, flüstere ihm Abschiedsworte zu und spüre seine Lippen ein letztes Mal über meine streichen, so leicht wie Wind.
    Dann schleiche ich mich ins Haus und die Treppe hinauf in mein Zimmer, und erst als ich schon eine ganze Weile zitternd, schmerzerfüllt im Bett liege und ihn vermisse, wird mir klar, dass meine Tante, meine Lehrer und die Wissenschaftler Recht haben, was die Deliria angeht. Während der Schmerz sich in meine Brust bohrt, das kranke, sorgenvolle Gefühl mich durchwühlt und das Verlangen nach Alex in mir so scharf ist wie eine Rasierklinge, die durch meine Organe schneidet und mich zerfetzt, kann ich nichts weiter denken als: Es bringt mich um, es bringt mich um, es bringt mich um. Und es ist mir egal.

f unfzehn
    Zuletzt schuf Gott Adam und Eva, auf dass sie glücklich und für immer als Mann und Frau zusammenlebten. Sie lebten jahrelang friedlich in einem schönen Garten inmitten hoher, gerader Pflanzen, die in ordentlichen Reihen wuchsen, und gut erzogener Tiere, die als Haustiere dienten. Ihre Gedanken waren so klar und sorglos wie der wolkenlose blassblaue Himmel, der sich wie ein Baldachin über ihren Köpfen spannte. Sie blieben unberührt von Krankheit, Schmerz oder Verlangen. Sie träumten nicht. Sie stellten keine Fragen. Jeden Morgen erwachten sie so erfrischt wie Neugeborene. Alles war immer gleich, aber es fühlte sich immer neu und gut an.
    Aus: Genesis. Eine vollständige Geschichte der Welt und des bekannten Universums von Dr. Steven Horace, Harvard University
    A m nächsten Tag, einem Samstag, denke ich beim Aufwachen sofort an Alex. Dann versuche ich aufzustehen und Schmerz schießt durch mein Bein. Als ich den Schlafanzug hochziehe, sehe ich, dass ein kleiner Blutfleck durch das T-Shirt gesickert ist, das Alex um mein Bein gewickelt hat. Eigentlich müsste ich die Wunde waschen oder den Verband wechseln oder irgendwas, aber ich habe Angst davor, sie mir anzusehen. Jetzt fällt mir alles wieder ein, was auf der Party passiert ist – die Schreie, das Geschubse, die Hunde und die Knüppel, die durch die Luft sausten und zum tödlichen Schlag ausholten –, und einen Moment lang bin ich überzeugt, dass mir gleich schlecht werden wird. Dann lässt das Schwindelgefühl nach und ich muss an Hana denken.
    Unser Telefon ist in der Küche. Meine Tante, die an der Spüle steht und den Abwasch macht, sieht mich überrascht an, als ich die Treppe runterkomme. Im Flurspiegel erhasche ich einen Blick auf mich selbst. Ich sehe furchtbar aus. Meine Haare stehen wirr vom Kopf ab, ich habe dicke Augenringe – unfassbar, dass mich irgendjemand je hübsch finden könnte.
    Aber es gibt jemanden, der das tut. Beim Gedanken an Alex breitet sich ein goldenes Leuchten in mir aus.
    Â»Beeil dich lieber«, sagt Carol. »Sonst kommst du zu spät zur Arbeit. Ich wollte dich gerade wecken.«
    Â»Ich muss nur kurz Hana anrufen«, sage ich. Ich ziehe die Schnur, so lang es geht, und nehme das Telefon mit in die Speisekammer, um

Weitere Kostenlose Bücher