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Delirium

Delirium

Titel: Delirium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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verschwindet.
    Ich kann es nicht ertragen. Der Gedanke daran, dass er durch die Straßen streift und sich immer weiter von mir entfernt, ist furchtbar. Und ich muss noch fünf Stunden bis zu unserem Treffen überstehen. Das schaffe ich nie. Ohne weiter nachzudenken, quetsche ich mich um den Tresen und nehme die Schürze ab, die ich anhatte, seit ich mich um ein Leck in einer der Tiefkühltruhen kümmern musste.
    Â»Jed, gehst du bitte einen Moment an die Kasse?«, rufe ich.
    Er blinzelt mich verwirrt an. »Wo willst du hin?«
    Â»Der Kunde«, sage ich. »Ich hab ihm falsch rausgegeben.«
    Â»Aber …«, hebt Jed an. Ich warte seine Einwände nicht ab. Ich kann es mir sowieso vorstellen. Aber du hast doch ungefähr fünf Minuten lang das Wechselgeld abgezählt. Na gut. Soll Jed doch denken, dass ich blöd bin. Damit kann ich leben.
    Weiter unten auf der Straße ist Alex an der Ecke stehen geblieben und wartet darauf, dass ein städtischer Lastwagen vorbeirumpelt.
    Â»He!«, rufe ich und er dreht sich um. Eine Frau, die auf der anderen Straßenseite einen Kinderwagen schiebt, hebt die Hand, um ihre Augen abzuschirmen, und beobachtet, wie ich die Straße entlanglaufe. Ich gehe, so schnell ich kann, aber wegen der Schmerzen in meinem Bein schaffe ich kaum mehr, als nur zu hoppeln. Ich spüre den Blick der Frau von oben bis unten auf meinem Körper, er prickelt wie Nadelstiche.
    Â»Ich hab dir falsch rausgegeben.« Ich rufe es laut, obwohl ich nah genug bei ihm bin, um normal zu sprechen. Hoffentlich geht die Frau jetzt endlich weiter. Aber sie sieht noch immer zu uns rüber.
    Â»Du hättest nicht kommen dürfen«, flüstere ich, als ich ihn eingeholt habe. Ich tue so, als würde ich ihm etwas in die Hand drücken. »Ich hab dir doch gesagt, wir sehen uns später.«
    Er schiebt die Hand leichthin in seine Tasche und steigt nahtlos auf mein Täuschungsmanöver ein, dann flüstert er zurück: »Ich konnte es nicht erwarten.«
    Alex wackelt vor meinem Gesicht mit dem Finger und guckt streng, als würde er mich für meine Unaufmerksamkeit schelten. Aber seine Stimme klingt sanft und süß. Ich habe erneut das Gefühl, dass nichts anderes wirklich ist – weder die Sonne noch die Häuser oder die Frau auf der anderen Straßenseite, die uns nach wie vor anstarrt.
    Â»In der Gasse um die Ecke ist eine blaue Tür«, sage ich leise, als ich mich mit entschuldigend erhobenen Händen zurückziehe. »Komm in fünf Minuten dorthin. Klopf viermal.« Dann sage ich lauter: »Hör mal, tut mir echt leid. Wie gesagt, ich habe mich wirklich vertan.«
    Dann drehe ich mich um und humpele zurück zum Laden. Ich kann kaum glauben, was ich gerade getan habe. Ich kann nicht glauben, was ich für ein Risiko eingehe. Aber ich muss ihn einfach sehen. Ich muss ihn küssen . Ich brauche ihn so sehr, wie ich noch nie etwas gebraucht habe. Ich habe denselben Druck auf der Brust wie gegen Ende eines Sprints, wenn ich das Gefühl habe zu sterben und alles in mir danach schreit, ich solle aufhören und nach Luft schnappen.
    Â»Danke«, sage ich zu Jed und nehme meinen Platz hinter dem Tresen wieder ein. Er murmelt irgendwas Unverständliches und schlurft zurück zu seinem Klemmbrett und seinem Stift, die er in Gang drei – Süssigkeiten, Getränke, Chips – auf den Boden gelegt hat.
    Der Typ, den ich für einen Aufseher gehalten habe, hat seine Nase in einer der Tiefkühltruhen vergraben. Ich weiß nicht, ob er nach einem Tiefkühlgericht sucht oder einfach die kostenlose kalte Luft genießen will. Wie auch immer, als ich ihn ansehe, habe ich die gestrige Nacht wieder vor Augen, das Pfeifen in der Luft, als die Knüppel hinabsausten wie Sensen, und ich hasse ihn – sie alle. Ich stelle mir vor, wie ich den alten Kerl in die Kühltruhe schubse und ihm den Deckel auf den Kopf haue.
    Der Gedanke an die Razzia weckt auch wieder die Angst um Hana in mir. Nachrichten über die gestrigen Ereignisse finden sich in allen Zeitungen. Offensichtlich wurden Hunderte von Leuten aus ganz Portland gestern Nacht zum Verhör gebracht oder ohne viel Federlesens zu den Grüften gekarrt, obwohl ich nirgendwo einen speziellen Hinweis auf die Party in Deering Highlands gesehen habe.
    Ich nehme mir vor, zu Hana nach Hause zu gehen, wenn sie mich bis heute Abend nicht zurückgerufen hat. Ich sage

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