Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
bedeutend vergrößert hatte.
Was ich voraus gesagt hatte, das geschah:
Am andern Mittag waren wir vollzählig. Ich hatte Offiziere und Unteroffiziere ernannt, welche jeden Neuangekommenen, nachdem ich ihm seinen Platz angewiesen hatte, sofort einübten. Am Spätnachmittag begann das Manöver und fiel zur allgemeinen Zufriedenheit aus. Das Fußvolk schoß ganz exakt, und die Chocs der einzelnen berittenen Körper wurden mit eleganter Sicherheit ausgeführt.
Noch während des Manövers kam das letzte Glied unserer Postenkette herbeigeritten.
»Was bringst du?« fragte der Scheik, dessen Antlitz vor Zufriedenheit glänzte.
»Herr, gestern haben sich die Dschowari mit den Abu Hammed vereinigt.«
»Wann?«
»Gegen Abend.«
»Und die Abu Mohammed?«
»Sind bereits hinter ihnen her.«
»Haben sie Kundschafter vor sich her gesandt, damit ihr Marsch nicht verraten wird, wie ich es angeraten habe?«
»Ja.«
Der Mann hielt noch bei uns, als ein anderer angeritten kam. Es war das diesseitige Glied der Kette nach dem Thale von Deradsch hinüber.
»Ich bringe eine wichtige Nachricht, Emir.«
»Welche?«
»Die Obeïde haben Leute vom Zab herübergesandt, um die Gegend zu untersuchen.«
»Wie viel Männer sind es gewesen?«
»Acht.«
»Wie weit sind sie gekommen?«
»Bis durch El Deradsch hindurch.«
»Haben sie unsere Leute gesehen?«
»Nein, denn diese hielten sich sehr verborgen. Dann haben sie im Thale gelagert und vieles miteinander gesprochen.«
»Ah! Hier hätte es möglich sein sollen, sie zu belauschen!«
»Es war möglich, und Ibn Nazar hat es gethan.«
Ibn Nazar war einer von den beiden Posten, welche das Thal Deradsch bewachen sollten.
»Was hat er gehört? Wenn es wichtig ist, soll er eine Belohnung erhalten.«
»Sie haben gesagt, daß morgen genau zur Mittagszeit die Obeïde übersetzen wollen, um die Abu Hammed und Dschowari zu treffen, die dann ihrer bereits warten werden. Sie wollen hierauf bis nach El Deradsch vordringen und dort während der Nacht lagern, weil sie glauben, dort nicht gesehen zu werden. Am nächsten Morgen nachher wollen sie über uns herfallen.«
»Sind diese acht Männer wieder fortgeritten?«
»Nur sechs von ihnen. Zwei mußten zurückbleiben, um das Thal zu bewachen.«
»Reite zurück und sage Ibn Nazar und seinem Gefährten, daß ich heute noch selbst zu ihnen kommen werde. Einer soll zurückbleiben, um die beiden zu bewachen, und der andere mag mich beim letzten Posten erwarten, um mir den Weg zu zeigen, wenn ich komme.«
Der Mann ritt ab. Der vorige wartete noch auf Antwort.
»Du hast gehört, was jener meldete?« fragte ich ihn.
»Ja, Emir.«
»So trage unsere Bitte weiter an den Scheik der Abu Mohammed. Er soll sich hart hinter dem Feinde halten und sich nicht sehen lassen. Ist derselbe in das Thal Deradsch eingedrungen, so soll er ihn sofort im Rücken angreifen und ihn ja nicht wieder herauslassen. Alle Thäler zwischen El Hamrin und el Kanuza sind zu besetzen. Das übrige wird unsere Sorge sein.«
Er jagte davon. Wir aber brachen unsere Übung ab, um den Leuten Ruhe zu gönnen.
»Du willst nach Deradsch?« fragte der Scheik auf dem Rückwege.
»Ja.«
»Warum?«
»Um die beiden Spione gefangen zu nehmen.«
»Kann dies kein anderer verrichten?«
»Nein. Die Sache ist so wichtig, daß ich sie selbst übernehme. Wenn diese zwei nicht ganz ruhig und sicher aufgehoben werden, so ist unser schöner Plan vollständig verdorben.«
»Nimm dir einige Männer mit.«
»Das ist nicht nötig. Ich und unsere beiden Posten, das ist genug.«
»Sihdi, ich gehe mit!« meinte Halef, welcher nicht von meiner Seite gewichen war.
Ich wußte, daß er auf der Erfüllung dieses Wunsches bestehen werde, und nickte ihm also Gewährung.
»Ich weiß nur nicht, ob dein Pferd einen so schnellen Ritt aushalten wird. Ich muß während der Nacht hin und zurück.«
»Ich werde ihm eines von meinen Pferden geben,« meinte der Scheik.
Eine Stunde später waren wir unterwegs: ich auf dem Rappen, und Halef auf einem Goldbraunen, der seinem Herrn alle Ehre machte. Wir legten die Strecke bis zum letzten Posten in sehr kurzer Zeit zurück. Dort erwartete uns Ibn Nazar.
»Du hast die beiden Männer belauscht?« fragte ich ihn.
»Ja, Herr.«
»Du sollst eine Extragabe von der Beute erhalten. Wo ist dein Gefährte?«
»Ganz in der Nähe der beiden Kundschafter.«
»Führe uns!«
Der Ritt ging weiter. Die Nacht war halbdunkel, und bald erblickten wir den Höhenzug, hinter welchem
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