Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Pfeile als Flinten.«
»Und wie viele Männer bringen euch die Dschowari?«
»Tausend.«
»Haben diese Pfeile oder Flinten?«
»Sie haben beides.«
»Kommen bloß eure Krieger herüber, oder werdet ihr diese Gegend auch mit euren Herden überziehen?«
»Nur die Krieger kommen.«
»Warum wollt ihr die Haddedihn bekriegen?«
»Der Gouverneur hat es uns befohlen.«
»Er hat euch nichts zu befehlen, ihr gehört unter den Statthalter von Bagdad. Wo sind eure Pferde?«
»Dort.«
»Ihr seid meine Gefangenen. Bei jedem Versuche, zu entkommen, werde ich euch niederschießen. Nazar, kommt!« – Die beiden anderen kamen herbei.
»Bindet diese beiden Männer hier fest auf ihre Pferde!«
Die Obeïde ergaben sich in ihr Schicksal; sie stiegen ohne Weigerung auf und wurden auf ihren Tieren so befestigt, daß an eine Flucht gar nicht zu denken war.
Hierauf gab ich den Befehl:
»Jetzt holt unsere Pferde drüben herab und bringt sie an den Eingang zum Thale. Ibn Nazar, du bleibst hier in El Deradsch zurück, der andere aber mag Halef die Gefangenen nach dem Lager transportieren helfen.«
Die beiden Haddedihn verschwanden, um unsere Pferde am äußersten Abhange des Thales hinabzuleiten. Dann stiegen wir auf und kehrten zurück, während Ibn Nazar auf seinem Posten verblieb.
»Ich werde euch voraneilen; kommt so schnell wie möglich nach.«
Mit dieser Weisung gab ich meinem Pferde die Schenkel. Ich that dies aus zwei Gründen: erstens war meine Gegenwart im Lager nötig, und zweitens hatte ich heute einmal Gelegenheit, das Geheimnis und den höchsten Leistungsgrad meines Rappen zu probieren. Er flog leicht, wie ein Vogel, über die Ebene dahin; der schnelle Lauf schien ihm sogar Vergnügen zu machen, denn er wieherte einigemal freudig auf. Plötzlich legte ich ihm die Hand zwischen die Ohren – –
»Rih!« – –
Auf diesen Ruf legte er die Ohren zurück; er schien länger und dünner zu werden, schien zwischen den Luftteilchen hindurchschießen zu wollen. Dem bisherigen Galopp hätten hundert andere auch gute Pferde nicht zu folgen vermocht, aber gegen das, was nun erfolgte, war er wie die Windstille gegen eine rasende Bö, wie der Gang einer Ente gegen den Flug einer Schwalbe. Die Geschwindigkeit einer Lokomotive oder eines Eilkameles hätte nicht vermocht, diejenige dieses Pferdes zu erreichen, und dabei war der Lauf desselben überaus glatt und gleichmäßig. Es war wirklich nicht zu viel, was Mohammed Emin zu mir gesagt hatte: »Dieses Pferd wird dich durch tausend Reiter hindurchtragen, und ich fühle mich unendlich stolz, der Besitzer dieses ausgezeichneten Renners zu sein.«
Doch ich mußte daran denken, diese äußerste Anspannung aller Kräfte zu beenden; ich ließ den Rappen in Gang fallen und legte ihm liebkosend die Hand an den Hals. Das kluge Tier wieherte freudig bei diesem Beweis meiner Anerkennung und trug stolz den Hals.
Als ich das Lager erreichte, hatte ich vom Wadi Deradsch nur den vierten Teil der Zeit gebraucht, welche zu dem Hinwege notwendig gewesen war. In der Nähe des Zeltes, welches der Scheik bewohnte, hielt auf Kamelen und Pferden eine Menge dunkler Gestalten, die ich wegen der Dunkelheit nicht genau zu erkennen vermochte, und im Zelte selbst wartete meiner eine sehr angenehme Überraschung: – Malek stand vor dem Scheik, welcher soeben im Begriffe war, Worte der freundlichsten Begrüßung auszusprechen.
»Sallam!« begrüßte mich der Ateïbeh, indem er mir beide Hände entgegenstreckte. »Meine Augen freuen sich, dich zu sehen, und mein Ohr ist entzückt, die Schritte deines Fußes zu vernehmen!«
»Allah segne deine Ankunft, Freund meiner Seele! Er hat ein Wunder gethan, um dich heute schon zu uns zu bringen.«
»Welches Wunder meint deine Zunge?«
»Wir konnten dich heute unmöglich erwarten. Es sind ja drei Tagreisen von hier bis zum Dschebel Schammar und zurück!«
»Du sagest die Wahrheit. Aber dein Bote brauchte nicht bis zum Berge der Schammar zu reiten. Nachdem er mit Halef uns verlassen hatte, erfuhr ich von einem verirrten Hirten, daß die Krieger der Haddedihn hier ihre Herden weiden. Ihr Scheik, der berühmte und tapfere Mohammed Emin, ist mein Freund; Hadschi Halef konnte nur auf ihn und keinen anderen getroffen sein, und so berieten wir uns, nicht auf seine Rückkehr zu warten, sondern seiner Botschaft zuvorzukommen.«
»Dein Entschluß war gut, denn ohne ihn hätten wir dich heute nicht begrüßen können.«
»Wir trafen den Boten auf der Mitte des
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