Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
man wohl die Pferde aus den Fluten des Tigris getränkt, als Nebukadnezar nach Ägypten zog, um Königin Hophra abzusetzen, und das waren wohl dieselben Wasser, über welche der Todesgesang des Nerikolassar und des Nabonnad herübergeklungen ist bis zu den Bergen von Kara Zschook, Zibar und Sar Hasana.
Ich sah, daß die Ziegenhäute aufgeblasen und verbunden wurden, sah die Reiter, welche, die Pferde an der Hand führend, sich auf die Flöße begaben; ich sah die Flöße abstoßen und am diesseitigen Ufer landen. Es war mir, als müsse ich das Geschrei hören, mit welchem sie von ihren Verbündeten begrüßt wurden, die sich auf ihre Pferde warfen, um eine glänzende Phantasiaauszuführen.
Scheingefecht.
Das kam erwünscht, daß sie ihre Pferde jetzt so anstrengten; die Tiere mußten dann, wenn es galt, wohl ermüdet sein.
So saß ich wohl eine Stunde lang. Die Obeïde waren jetzt alle herüber, und ich sah, daß sich der Zug nach Norden zu in Bewegung setzte. Jetzt kletterte ich wieder herab, bestieg mein Pferd und kehrte zurück. Die Stunde der Entscheidung war gekommen.
Ich brauchte wieder fast eine Stunde, um den Punkt zu erreichen, von dem es mir möglich war, von der Höhe hinabzukommen. Schon wollte ich zu Thale lenken, als ich ganz dort oben am nördlichen Horizont etwas blitzen sah. Es war gewesen, als ob der Sonnenstrahl auf ein Glasstückchen fiele. Wir konnten den Feind nur von Süden her erwarten, dennoch aber nahm ich mein Fernrohr zur Hand und suchte die Stelle auf, an welcher ich den blitzartigen Schein bemerkt hatte. Endlich, endlich fand ich sie. Hart am Flusse bemerkte ich eine Anzahl dunkler Punkte, welche sich abwärts bewegten. Es mußten Reiter sein, und einer von ihnen war es, dessen Körper das Licht der Sonne reflektierte.
Waren es Feinde? Sie befanden sich nördlich grad so weit von dem Verstecke meiner Leute, wie ich südlich von demselben entfernt war. Hier galt kein Zögern; ich mußte ihnen zuvorkommen.
Ich trieb meinen Rappen an, der rasch abwärts stieg, dann aber, als er die Thalsohle unter den Hufen hatte, wie ein Vogel dahinflog. Ich war überzeugt, daß ich zur rechten Zeit eintreffen würde.
Als ich bei der Truppe anlangte, rief ich die Leute zusammen und teilte ihnen mit, was ich beobachtet hatte. Wir schafften die Pferde aus dem Halbkessel heraus, den das Terrain bildete. Dann versteckte sich die Hälfte der Haddedihn hinter dem südlichen Vorsprunge desselben, während der andere Teil zurückblieb, um – hinter Euphorbien und Gummipflanzen verborgen, den Ankommenden den Rückzug abzuschneiden.
Wir hatten nicht sehr lange zu warten, bis wir Hufschlag vernahmen. Master Lindsay lag neben mir und lauschte, während er die Büchse im Anschlage hielt.
»Wie viele?« fragte er kurz.
»Konnte sie nicht genau zählen,« antwortete ich ihm.
»Ungefähr?«
»Zwanzig.«
»Pah! Warum denn so viele Mühe geben?«
Er erhob sich, schritt vor und setzte sich auf einen Steinblock. Seine beiden Diener folgten ihm augenblicklich.
Da kamen sie um die Ecke herum, voran ein hoher, kräftiger Araber, welcher unter seiner Aba einen Schuppenpanzer trug. Diesen hatte ich vorhin blitzen sehen. Es war eine wirklich königliche Gestalt. Der Mann hatte sich wohl nie in seinem Leben gefürchtet, war noch niemals erschrocken, denn selbst jetzt, als er so plötzlich und unerwartet die hier so ungewöhnliche Gestalt des Englishman erblickte, zuckte keine Wimper seiner Augen, und nur die Hand fuhr leise nach dem krummen Säbel.
Er ritt einige Schritte vor und wartete, bis die Seinigen alle herbeigekommen waren; dann winkte er einem Manne, der sich an seiner Seite befand. Dieser war sehr lang und hager und hing auf seinem Gaule, als ob er noch niemals einen Sattel berührt hätte. Man sah ihm sofort die griechische Abstammung an. Auf den erhaltenen Wink fragte er den Engländer in arabischer Sprache:
»Wer bist du?«
Master Lindsay erhob sich, lüftete den Hut und machte eine halbe Verbeugung, sagte aber kein Wort.
Der Fragende wiederholte seine Worte in türkischer Sprache.
»Im Inglis – ich bin ein Engländer,« lautete die Antwort.
»Ah, so begrüße ich Sie, verehrter Herr!« klang es jetzt in englischen Lauten. »Es ist eine außerordentliche Überraschung, hier in dieser Einsamkeit einen Sohn Albions zu treffen. Darf ich um Ihren Namen bitten?«
»David Lindsay.«
»Dies sind Ihre Diener?«
» Yes! «
»Aber was thun Sie hier?«
» Nothing – nichts.«
»Sie müssen doch
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