Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
sofort entgegen geritten und bewillkommneten uns. Meine Herde war die erste, welche anlangte.
Es gab hinüber auf die Weideplätze der Haddedihn keinen andern Weg als durch das Wadi hindurch. Hier befanden sich noch sämtliche Kriegsgefangene, und man kann die Blicke der Abu Hammed sich vorstellen, welche sie auf uns warfen, als sie ein ihnen bekanntes Tier nach dem andern an sich vorbeigehen lassen mußten. Endlich waren wir wieder auf der Ebene, und nun stieg ich vom Pferde.
»Wer ist in den Tachterwahns?« fragte Mohammed Emin.
»Drei Männer, welche Scheik Zedar zu Tode martern wollte. Ich werde dir noch von ihnen erzählen. Wo sind die gefangenen Scheiks?«
»Hier im Zelte. Da kommen sie.«
Sie traten soeben heraus. Die Augen des Scheik der Abu Hammed blitzten tückisch, als er seine Herde erkannte, und er trat auf mich zu.
»Hast du mehr gebracht, als du sollst?«
»Du meinst Tiere?«
»Ja.«
»Ich habe die Zahl gebracht, welche mir befohlen war.«
»Ich werde zählen!«
»Thue es,« antwortete ich kalt. »Aber dennoch habe ich mehr gebracht, als ich sollte.«
»Was?«
»Willst du es sehen?«
»Ich muß es sehen!«
»So rufe jenen dort herbei.«
Ich zeigte dabei auf seinen älteren Sohn, der soeben am Eingange des Zeltes erschien. Er rief ihn herbei.
»Kommt alle mit!« sagte ich.
Mohammed Emin, Malek und die drei Scheiks folgten mir nach dem Orte, wo sich die drei Kamele mit den Tachterwahns niedergelassen hatten. Halef ließ gerade die Dschesidi aussteigen.
»Kennst du diese Männer?« fragte ich Zedar Ben Huli.
Er fuhr erschrocken zurück; sein Sohn ebenfalls.
»Die Dschesidi!« rief er.
»Ja, die Dschesidi, welche du langsam morden wolltest, wie du schon viele gemordet hast, Ungeheuer!«
Da funkelte er mich mit wahren Pantheraugen an.
»Was hat er gethan?« fragte Eslah el Mahem, der Obeïde.
»Laß es dir erzählen! Du wirst erstaunen, was für ein Mensch dein Kampfgefährte gewesen ist.«
Ich schilderte, auf welche Weise und in welchem Zustande ich die drei Männer getroffen hatte. Als ich schwieg, traten alle von ihm zurück. Dadurch wurde der Blick auf den Eingang des Thales frei, wo sich in diesem Augenblick drei Reiter zeigten: Lindsay mit seinen beiden Dienern. Er hatte sich verspätet. Neben seinem Pferde schleppte sich der jüngere Sohn des Scheik einher.
Dieser sah den jungen Menschen und wandte sich augenblicklich wieder zu mir:
»Allah akbar! Was ist das! Mein zweiter Sohn gefangen?«
»Wie du siehst!«
»Was hat er gethan?«
»Er war der Gehilfe deiner Schandthaten. Deine beiden Söhne sollen den Kopf ihres in die Erde gegrabenen Vaters zwei Tage lang bewachen; dann bist du wieder frei – eine Strafe, die viel zu gering für dich und für deine Söhne ist. Gehe hin und binde deinen Jüngsten los!«
Da sprang der Verbrecher zu dem Pferde des Engländers und griff nach dem Strick. Sir David war soeben abgestiegen und wehrte die Hand des Scheik ab und rief: »Packt Euch! Dieser Bursche ist mein!«
Da riß der Scheik dem Englishman eine seiner Riesenpistolen aus dem Gürtel, schlug an und feuerte. Sir David hatte sich blitzschnell umgedreht, dennoch traf ihn die Kugel in den Arm; im nächsten Augenblick aber krachte ein zweiter Schuß. Bill, der Irländer, hatte seine Büchse erhoben, um seinen Herrn zu verteidigen, und seine Kugel fuhr dem Scheik durch den Kopf. Dessen beide Söhne warfen sich auf den Schützen, wurden aber handfest empfangen und überwältigt.
Ich wandte mich schaudernd ab. Das war Gottes Gericht! Die Züchtigung, die ich dem Missethäter zugedacht hatte, wäre zu unbedeutend gewesen. Und nun war auch mein Wort erfüllt, das ich jener Frau gegeben hatte: der Scheik kehrte nicht in sein Lager zurück.
Es verging eine Weile, bis wir alle unsere Ruhe wieder erlangt hatten. Da erscholl zunächst die Frage Halefs:
»Sihdi, wohin soll ich diese drei Männer bringen?«
»Das mag der Scheik bestimmen,« lautete meine Antwort.
Dieser trat zu den dreien heran.
»Marhaba – ihr sollt mir willkommen sein! Bleibt bei Mohammed Emin, bis ihr euch von eueren Leiden erholt habt!«
Da blickte Selek schnell empor.
»Mohammed Emin?« fragte er.
»So heiße ich.«
»Du bist kein Schammar, sondern ein Haddedihn?«
»Die Haddedihn gehören zu den Schammar.«
»O, Herr, so habe ich eine Botschaft an dich!«
»Sage sie!«
»Es war in Baadri, und ehe wir unsere Reise antraten, da ging ich zum Bache, um zu schöpfen. An demselben lag eine Truppe Arnauten,
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