Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
militärischer Ehrerbietung herab und meinte:
»Allah segne Deine Hoheit, Effendi! Du bist ein großer Herr, der in dem Palaste des Mutesselim Aufnahme finden muß.«
»Der Aufseher des Palastes hat mich fortgewiesen, und ich – – –«
»Allah verderbe diese Creatur,« unterbrach er mich. »Ich werde gehen, um ihn in Stücke zu zerreißen!«
Er rollte die Augen und fuchtelte mit beiden Armen. Dieser Mann war wohl nur ein Bramarbas gewöhnlicher Sorte.
»Laß diesen Menschen! Er soll nicht die Ehre haben, Gäste bei sich zu sehen, die ihm viel Bakschisch bringen.«
»Bakschisch?« frug der Tapfere. »Du gibst viel Bakschisch?«
»Ich pflege damit nicht zu geizen.«
»Oh, so weiß ich ein Haus, in welchem Du wohnen und rauchen kannst, wie der Schah-in-Schah von Persien. Soll ich Dich führen?«
»Zeige es mir!«
Er wandte sich wieder um und schritt voran. Wir folgten. Er führte uns durch einige leere Bazargassen, bis wir vor einem kleinen offenen Platze hielten.
»Das ist der Meidan jüdschelikün, der ›Platz der Größe‹,« erklärte er.
Dieser Platz hatte alle möglichen Eigenschaften, nur groß war er nicht, und grad darum jedenfalls hatte man ihm diesen hochtrabenden Namen gegeben. Daß ich mich in einer türkischen Stadt befand, sah ich hier sehr genau; denn es lungerten wohl an die zwanzig herrenlose Hunde auf diesem Meidan jüdschelikün herum, unter denen mehrere räudig waren. Bei dem Anblick meines Hundes erhoben sie ein wütendes Geheul, dem aber Dojan, wie ein Pascha einem Haufen von Bettlern gegenüber, keine Aufmerksamkeit schenkte.
»Und hier ist das Haus, welches ich meine,« fügte der Agha hinzu.
Er zeigte dabei auf ein Gebäude, welches die ganze eine Fronte des Platzes einnahm und gar kein übles Aussehen hatte. Es zeigte nach vorn heraus mehrere Pengdscheri, welche mit hölzernen Gitterstäben versehen waren, und um das platte Dach lief ein Schutzgeländer, gewiß ein großer Luxus hier zu Lande.
»Wer wohnt in diesem Hause?« frug ich.
»Ich selbst, Effendi,« antwortete er.
»Und wem gehört es?«
»Mir.«
»Du hast es gekauft oder gemiethet?«
»Keines von beidem. Es war Eigenthum des berühmten Ismaïl Pascha und blieb seitdem herrenlos, bis ich es in Besitz nahm. Komm, ich werde Dir Alles zeigen!«
Dieser wackere Befehlshaber der Arnauten hatte jedenfalls großes Wohlgefallen an meinem Bakschisch gefunden. Doch war mir sein Anerbieten sehr willkommen, da ihn seine Stellung befähigte, mir über alles Nöthige die gewünschte Auskunft zu geben. Wir stiegen vor dem Hause ab und traten ein. Im Flure hockte ein altes Weib, welches Zwiebeln schälte und dabei mit thränenden Augen die abgefallenen Schalen kaute. Ihrem Aussehen nach war sie entweder die Urgroßmutter des ewigen Juden, oder die von dem Tode ganz vergessene Tante von Methusalem.
»Höre, meine süße Mersinah, hier bringe ich Dir Männer!« redete er sie in sehr liebenswürdigem Tone an.
Sie konnte uns vor Thränen nicht sehen und wischte sich daher mit der Zwiebel, die sie grad in der Hand hielt, die Augen aus, so daß das Wasser sich verdoppelte.
»Männer?« frug sie mit einer Stimme, welche dumpf wie die Antwort eines Klopfgeistes aus dem zahnlosen Munde hervorklang.
»Ja, Männer, die in diesem Hause wohnen werden.«
Sie warf die Zwiebeln von sich und sprang mit jugendlicher Schnelligkeit vom Boden auf.
»Wohnen? Hier in diesem Hause? Bist Du toll, Selim Agha?«
»Ja, meine liebliche Mersinah, Du wirst die Meichanedscha dieser Männer sein und sie bedienen.«
»Wirthin? Bedienen? Allah kerihm! Du bist wirklich verrückt geworden! Habe ich nicht bereits Tag und Nacht zu arbeiten, um nur mit Dir allein fertig zu werden! Jage sie fort, fort auf der Stelle; das befehle ich Dir!«
Er wurde ein wenig verlegen; das war ihm anzumerken. Die ›süße, liebliche‹ Mersinah schien hier ein sehr kräftiges Scepter zu führen.
»Deine Arbeit soll nicht größer werden, meine Taube. Ich werde ihnen eine Kyzla halten, die sie bedienen wird.«
»Eine Kyzla?« frug sie, und dabei klang ihre Stimme nicht mehr dumpf und hohl, sondern kreischend und überschnappend, als ob der rosige Mund der lieblichen Taube sich in einen Klarinettenschnabel verwandelt hätte. »Eine Kyzla! Und wohl eine junge, hübsche Kyzla, he?«
»Das kommt auf diese Männer an, Mersinah.«
Sie stemmte die Arme in die Hüften, eine Bewegung, welche dem Oriente ebenso eigenthümlich ist, wie dem Abendlande, und holte tief Athem.
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