Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
bekommen; aber ich warte bereits seit elf Monaten auf dieses Geld. Allah kerihm; Padischah kendisi onu kullar – Gott ist gnädig, und der Sultan braucht es selber!«
Da durfte ich mich allerdings nicht darüber wundern, daß das Wort Bakschisch für ihn eine nachhaltige Bedeutung hatte.
Er führte uns nun in dem Hause herum. Es war geräumig gebaut, aber doch auch bereits in Verfall gerathen. Wir nahmen uns vier Zimmer, eins für Jeden von uns und eins für Halef und den Baschi-Bozuk. Der Preis war gering, fünf Piaster, also eine Mark pro Woche für die Stube.
»Wollt Ihr auch den Garten sehen?« frug er dann.
»Natürlich! Ist er schön?«
»Sehr schön; so schön, wie die Gärten des Paradieses! Du siehst da allerlei Bäume, Kräuter und Gräser, die ich gar nicht kenne. Bei Tage leuchtet über ihm die Sonne, und des Nachts glänzen die Augen der Sterne auf ihn herab. Er ist sehr schön!«
»Regnet es auch auf ihn nieder?« frug ich belustigt.
»Wenn es regnet, erhält er auch sein Theil; ja, es ist zuweilen sogar Schnee auf ihn gefallen. Komm und siehe!«
Im Hofe gab es einen Schuppen, den wir für die Pferde mietheten. Auch er kostete eine Mark. Der Garten maß ungefähr vierzig Schritte im Gevierte, war also sehr unbedeutend. Ich sah eine verkrüppelte Cypresse und einen wilden Apfelbaum. Die ›allerlei Kräuter und Gräser‹ bestanden einfach aus wildem Kendir, ausgewucherter Madanos und einigen notorisch armen Gänseblümchen. Das größte Wunder dieses Gartens aber war ein Beet, auf welchem Soghani, Sarmysak, Kedilan, eine Stachelbeere, mehrere Pilsenkräuter und einige verblühte Veilchen in lieblicher Eintracht neben einander verhungerten.
»Bir güzel bagtsche – ein schöner Garten! Nicht wahr?« frug der Agha, indem er eine gewaltige Tabakswolke auspuffte.
»Güzel-zorli – gewaltig schön!« entgegnete ich.
»Pek bereketli – sehr fruchtbar!«
»Ghajet bereketli- äußerst fruchtbar!«
»Ile tschok güzel dikekler – und viele schöne Pflanzen! Nicht?«
»Syz sajyjü – ohne Zahl!«
»Weißt Du, wer hier gewandelt hat?«
»Wer?«
»Die schönste Rose von Kurdistan. Hast Du niemals von Esma Khan gehört, der keine Andere an Schönheit gleich gekommen ist?«
»Sie war das Weib von Ismaïl Pascha, dem letzten erblichen Sohne der abbassidischen Khalifen?«
»Ja; Du weißt es. Sie führte den Ehrentitel ›Khan‹, wie alle Frauen dieser erlauchten Familie. Er wurde, nämlich Ismaïl Pascha, von dem Indscheh Bairakdar Mohammed Pascha belagert; dieser sprengte die Mauern des Schlosses, welches dann im Sturm genommen wurde. Darauf ging Ismaïl mit Esma Khan als Gefangener nach Baghdad. Hier hat sie gelebt und geduftet. Emir, ich wollte, sie wäre noch hier!«
»Hat sie auch diese Petersilie und diesen Knoblauch gepflanzt?«
»Nein,« antwortete er sehr ernsthaft; »das hat Mersinah, meine Wirthschafterin, gethan.«
»So danke Allah, daß Du an Stelle von Esma Khan diese süße Mersinah bei Dir hast!«
»Effendi, sie ist zuweilen sehr bitter!«
»Darüber darfst Du nicht murren, denn Allah theilt die Gaben sehr verschieden aus. Und daß Du den Duft dieser ›Myrte‹ athmen sollst, das stand ja wohl im Buche verzeichnet.«
»So ist es! Aber sage mir, Emir, ob Du diesen Garten pachten willst!«
»Wie viel verlangst Du dafür?«
»Du bezahlst mir zehn Piaster für die Woche. Dann dürft Ihr Alle in den Garten gehen und an die Esma Khan denken, so oft Ihr wollt!«
Ich zögerte mit der Antwort. Der Garten stieß an die Rückwand eines Gebäudes, in welcher ich zwei Reihen kleiner Löcher bemerkte. Das sah mir recht gefängnißmäßig aus. Ich mußte mich erkundigen:
»Ich glaube nicht, daß ich diesen Garten miethen werde.«
»Warum nicht?«
»Weil mich diese Mauer stört.«
»Diese Mauer? Warum, Effendi?«
»Ich liebe es nicht, in der Nähe eines Gefängnisses zu sein.«
»Oh, die Leute, welche da drinnen stecken, können Dich nicht stören. Ihre Löcher sind so tief, daß sie diese kleinen Fenster gar nicht erreichen können.«
»Ist dies das einzige Gefängniß in Amadijah?«
»Ja. Das andere ist eingefallen. Mein Tschausch hat die Aufsicht über die Gefangenen.«
»Und Du glaubst, daß mich diese nicht stören werden?«
»Du wirst nichts von ihnen sehen und keinen Laut von ihnen hören.«
»So werde ich Dir die zehn Piaster geben. Du hast also in Summa für die Woche fünfunddreißig Piaster von uns zu bekommen. Erlaube, daß ich Dich für die erste Woche jetzt
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