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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Dies war ein Zeichen, daß sie einen bedeutenden Luftvorrath brauchen werde, um ihre angestammte Herrschaft mit dem nothwendigen Nachdrucke vertheidigen zu können.
    »Auf diese Männer? Auf mich kommt es an! Hier bin ich die Herrin! Hier habe ich allein zu befehlen! Hier habe ich zu bestimmen, was geschehen soll, und ich gebiete Dir, diese Männer fortzujagen! Hörst Du, Selim Agha? Fort, augenblicklich!«
    »Aber es sind ja gar keine Männer, meine einzige Mersinah!«
    Mersinah, was im Deutschen Myrte bedeutet, wischte sich die Äuglein abermals aus und betrachtete uns sehr genau. Ich selbst war etwas erstaunt über diese Behauptung des Agha. Was denn eigentlich sollten wir sein, wenn wir keine Männer waren?
    »Nein,« antwortete er. »Es sind keine Männer, sondern Effendi’s, große Effendi’s, die unter dem Schutze des Großherrn stehen.«
    »Was geht mich der Großherr an! Hier bin ich die Großherrin, die Sultanin Valide, und was ich sage, das – – –«
    »Aber so höre doch! Sie werden ein sehr gutes Bakschisch geben!«
    Bakschisch hat im Oriente eine zauberhafte Wirkung; es schien auch hier das richtige erlösende Wort zu sein. Die ›Myrte‹ ließ die Arme sinken, versuchte ein einlenkendes Lächeln, welches aber in ein höhnisches Grinsen ausartete, und wandte sich an Master David Lindsay:
    »Ein großes Bakschisch? Ist das wahr?«
    Der Gefragte schüttelte den Kopf und deutete auf mich.
    »Was ist mit diesem?« frug sie mich. »Ist er übergeschnappt?«
    »Nein,« antwortete ich. »Laß Dir sagen, wer wir sind, Du Seele dieses Hauses! Dieser Mann, den Du jetzt fragtest, ist ein sehr frommer Pilger aus Londonistan; er gräbt mit seiner Hacke, die Du hier siehst, in die Erde, um die Sprache der Verstorbenen zu belauschen, und hat ein Gelübde gethan, kein Wort zu reden, bis er die Erlaubniß dazu hat.«
    »Ein Frommer, ein Heiliger, ein Zauberer?« frug sie erschrocken.
    »Ja. Ich warne Dich, ihn zu beleidigen! Dieser andere Mann ist der Anführer eines großen Volkes weit im Westen von hier, und ich bin ein Emir derjenigen Krieger, welche die Frauen verehren und Bakschisch geben. Du bist die Sultana dieses Hauses. Erlaube uns, es zu besehen, ob wir für einige Tage darinnen wohnen können!«
    »Effendi, Deine Rede duftet nach Rosen und Nelken; Dein Mund ist weiser und klüger als das Maul dieses Selim Agha, der stets vergißt, das Richtige zu sagen, und Deine Hand ist wie die Hand Allah’s, die Segen spendet. Hast Du viele Diener bei Dir?«
    »Nein, denn unser Arm ist stark genug, uns selbst zu beschützen. Wir haben nur drei Begleiter: einen Diener, einen Khawassen des Mutessarif von Mossul und einen Kurden, welcher noch heute Amadijah wieder verlassen wird.«
    »So seid Ihr mir willkommen! Seht Euch mein Haus und meinen Garten an, und wenn es Euch bei mir gefällt, so wird mein Auge über Euch wachen und leuchten!«
    Sie wischte sich die ›Wachenden‹ und ›Leuchtenden‹ abermals aus und sammelte dann die Zwiebeln vom Boden auf, um uns den Weg zu ebnen. Der tapfere Agha der Arnauten schien mit diesem Ausgange sehr zufrieden zu sein. Er brachte uns zunächst nach einer Stube, welche ihm als Wohnung diente. Sie war sehr geräumig und hatte als einziges Möbel einen alten Teppich, der als Sopha, Bett, Stuhl und Tisch gebraucht wurde. An den Wänden hingen einige Waffen und Tabakspfeifen, und auf dem Boden stand eine Flasche, in deren Nähe einige hohle Eierschalen zu sehen waren.
    »Ich heiße Euch willkommen, Ihr Herren,« meinte er. »Laßt uns den Trunk der Freundschaft thun!«
    Er bückte sich, um die Flasche nebst den Schalen aufzuheben, und gab von den Letzteren einem Jeden von uns eine in die Hand. Dann schenkte er ein. Es war Raki. Wir tranken aus den hühnerognostischen Pokalen, er aber setzte die Flasche selbst an den Mund und nahm sie nicht eher wieder fort, bis er die beruhigende Überzeugung hatte, daß das scharfe, schwefelsaure Getränk der Bouteille keinen chemischen Schaden mehr thun könne. Dann nahm er uns die Schalen aus der Hand, sog das heraus, was wir noch drin gelassen hatten, und legte sie sehr behutsam auf den Boden nieder.
    »Kendim idschad eter – meine eigne Erfindung!« meinte er stolz. »Wundert Ihr Euch, daß ich keine Gläser habe?«
    »Du wirst diese schöne Erfindung den Gläsern vorziehen,« antwortete ich.
    »Ich ziehe sie vor, weil ich keine Gläser habe. Ich bin Agha der Albanesen und habe als Sold und Taim monatlich dreihundertdreißig Piaster zu

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