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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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lassen.«
    »Unter dieser Bedingung kann ich hier bleiben; denn ich gehe meist ja deßhalb, damit er nicht meinetwegen noch länger warten müsse.«
    Der Mutesselim klatschte in die Hände, und aus einer Nebenthüre trat der Diener ein, welcher den Befehl erhielt, den Kurden herein zu rufen. Dieser schritt in stolzer Haltung in das Zimmer und grüßte mit einem ›Sellam‹, ohne sich zu bücken.
    »Du bist ein Bote des Bey von Gumri?« frug der Commandant.
    »Ja.«
    »Was hat mir Dein Herr zu sagen?«
    »Mein Herr? Ein freier Kurde hat nie einen Herrn. Er ist mein Bey, mein Anführer im Kampfe, nicht aber mein Gebieter. Dieses Wort kennen nur die Türken und Perser.«
    »Ich habe Dich nicht rufen lassen, um mich mit Dir zu streiten. Was hast Du an mich auszurichten?«
    Der Kurde mochte ahnen, daß ich die Ursache sei, daß er nicht länger zu warten brauchte. Er warf mir einen verständnißvollen Blick zu und antwortete sehr ernst und langsam:
    »Mutesselim, ich hatte etwas auszurichten; da ich aber so lange warten mußte, habe ich es vergessen. Der Bey muß Dir also einen andern Boten senden, der es wohl nicht vergessen wird, wenn er nicht zu warten braucht!«
    Das letzte Wort sprach er bereits unter der Thüre; dann war er verschwunden. Der Commandant machte ein ganz verblüfftes Gesicht. So etwas hatte er nicht erwartet, während ich mir im Stillen sagte, daß kein europäischer Ambassadeur correcter hätte handeln können, als dieser junge, einfache Kurde. Es zuckte mir förmlich in den Beinen, ihm nachzueilen, um ihm meine Achtung und Anerkennung auszusprechen. Auch der Mutesselim wollte ihm nachspringen, aber in etwas anderer Absicht.
    »Schurke!« rief er aufspringend. »Ich werde – – –«
    Er besann sich aber doch und blieb stehen. Ich stopfte mir sehr gleichmütig meinen Tschibuk und brannte an.
    »Was sagst Du dazu, Emir?«
    »Daß ich es so kommen sah. Ein Kurde ist kein heuchelnder Grieche und auch kein schmutziger Jude, der sich nicht einmal krümmt, wenn man ihn tritt. Was wird der Bey von Gumri thun, und was wird der Mutessarif sagen!«
    »Du wirst es ihm erzählen?«
    »Ich werde schweigen, aber er wird die Folgen sehen.«
    »Ich lasse diesen Kurden zurückrufen!«
    »Er wird nicht kommen.«
    »Ich will ihm ja nicht zürnen!«
    »Er wird das nicht glauben. Es gibt nur einen Einzigen, der ihn bewegen kann, zurückzukehren.«
    »Wer ist das?«
    »Ich bin es.«
    »Du?«
    »Ja. Ich bin sein Freund; er wird vielleicht auf meine Stimme hören.«
    »Du bist sein Freund? Du kennst ihn?«
    »Ich habe ihn in Deinem Vorzimmer zum ersten Male gesehen. Aber ich sprach zu ihm wie zu einem Manne, welcher der Bote eines Bey ist, und das hat ihn sicher zu meinem Freund gemacht.«
    »Du weißt jedoch nicht, wo er sich befindet!«
    »Ich weiß es.«
    »Wo ist er? Fort von Amadijah. Sein Pferd stand unten.«
    »Er ist in meiner Wohnung, wohin ich ihn eingeladen habe.«
    »Du hast ihn eingeladen? Soll er bei Dir essen?«
    »Ich werde ihn als Gast empfangen; die Hauptsache aber ist, daß ich ihm eine Botschaft an den Bey anzuvertrauen habe.«
    Der Mutesselim staunte immer mehr.
    »Was für eine Botschaft?«
    »Ich denke, Du bist ein Diplomat? Frage den Mutessarif!«
    »Emir, Du sprichst in lauter Räthseln!«
    »Deine Weisheit wird sie sehr bald zu lösen wissen. Ich will Dir aufrichtig sagen, daß Du einen Fehler begangen hast, und da Du weder eine Lehre noch einen Rath von mir annehmen willst, so erlaube mir wenigstens, diesen Fehler wieder gut zu machen, indem ich dem Bey von Gumri eine sehr friedliche Botschaft sende!«
    »Ich darf sie nicht wissen?«
    »Ich will es Dir im Vertrauen mittheilen, trotzdem es ein diplomatisches Geheimniß ist: Ich habe ihm ein Geschenk zu übermitteln.«
    »Ein Geschenk? Von wem?«
    »Das darf ich allerdings nicht sagen, aber Du kannst es vielleicht errathen, wenn ich Dir gestehe, daß der betreffende Beamte und Gebieter, von dem es kommt, im Westen von Amadijah wohnt und sehr wünscht, daß der Bey von Gumri ihm nicht feindlich gesinnt werde.«
    »Herr, jetzt sehe ich, daß Du wirklich der Vertraute des Mutessarif von Mossul bist; denn von ihm kommt das Geschenk, Du magst es nun sagen oder nicht!«
    Der Mann war ein Schwachkopf und ganz unfähig für sein Amt. Ich erfuhr später, daß er die Creatur seines Vorgängers gewesen war, der selbst auch den Sprung vom Nefus Emini in Zillah in Kleinasien zum Mutesselim von Amadijah gethan hatte. Mein Besuch bei diesem Commandanten hatte

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