Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Commandanten befand.«
»Welches?«
»Du bist ein Jüngling, aber Du hast als Mann gehandelt, als Du ihm Deine Antwort gabst.«
Er lächelte und sagte:
»Ich hätte anders mit ihm gesprochen, wenn ich allein gewesen wäre.«
»Strenger?«
»Nein, sondern milder. Da aber ein Zeuge zugegen war, so mußte ich die Ehre Dessen wahren, der mich gesendet hat.«
»Du hast Deinen Zweck erreicht. Der Mutesselim wünscht, daß Du zu ihm zurückkehrst, um Deine Botschaft auszurichten.«
»Ich werde ihm diesen Gefallen nicht erweisen.«
»Auch mir nicht?«
Er blickte auf.
»Wünschest Du es?«
»Ich bitte Dich darum. Ich habe ihm versprochen, diese Bitte an Dich zu richten.«
»Kennst Du ihn? Bist Du sein Freund?«
»Ich habe ihn noch niemals gesehen und war heute zum ersten Male bei ihm.«
»So will ich Dir sagen, was für ein Mann er ist. Eigentlich schildere ich Dir diesen Mann am besten, wenn ich Dir weiter nichts sage, als daß der Saliahn jetzt nur kaum zwanzigtausend Piaster für Amadijah einbringt, und daß er nicht, wie es doch an der Regel wäre, die Pacht der Steuern hat. Die hat man ihm genommen. Der Sultan hört selten eine Beschwerde an; hier aber hat er hören müssen, denn es war zu himmelschreiend. Er plünderte die Einwohner dermaßen, daß sie auch im Winter im Gebirge blieben und sich nicht in die Stadt zurückwagten. Nun ist der ganze Distrikt verarmt, und der Hunger ist ein steter Gast der Leute geworden. Der Mutesselim braucht immer Geld und borgt, und wer ihm da nicht zu Willen ist, der hat seine Rache zu befürchten. Übrigens ist er ein feiger Mensch, der nur gegen den Schwachen muthig ist. Seine Soldaten hungern und frieren, weil sie weder Speise noch Kleidung erhalten, und ihre guten Gewehre hat er gegen schlechte umgetauscht, um den Profit für sich zu nehmen, und wenn für die paar Kanonen, welche die Festung vertheidigen sollen, das Pulver kommt, so verkauft er es an uns, um Geld zu erhalten.«
Das war also eine echt türkische Wirthschaft! Nun brauchte ich mich nicht über die effectvolle Schießübung zu wundern, deren Augen- und Ohrenzeuge ich gewesen war.
»Und wie steht er mit Deinem Bey?« erkundigte ich mich.
»Nicht gut. Es kommen viele Kurden nach der Stadt, entweder um hier einzukaufen oder Lebensmittel zu verkaufen. Für diese hat er eine hohe Steuer eingeführt, die der Bey nicht leiden will. Auch maßt er sich in vielen Fällen eine Gewalt über uns an, die ihm gar nicht gehört. Zwei Kurden haben sich kürzlich in Amadijah Blei und Pulver gekauft, und man verlangte ihnen am Thore eine Steuer dafür ab. Das war noch nie vorgekommen; sie hatten nicht genug Geld zur Bezahlung der Steuer, welche noch höher war, als der Preis der so schon theuren Ware, und so wurden sie in das Gefängniß gesteckt. Der Bey verlangte ihre Freiheit und gab zu, daß man das Pulver und Blei confisciren möge; aber der Mutesselim ging nicht darauf ein. Er verlangte die confiscirte Waare, den Zoll, eine Strafsumme und dann auch noch Bezahlung der Untersuchungs- und Gefängnißkosten, so daß aus zwanzig Piastern hundertundvierzig geworden sind. Ehe diese nicht bezahlt werden, gibt er die Leute nicht los und rechnet ihnen zehn Piaster für den Tag als Verpflegungsgelder an.«
»In dieser Angelegenheit wolltest Du mit ihm reden?«
»Ja.«
»Solltest Du die Summe bezahlen?«
»Nein.«
»Nur unterhandeln? Das würde zu nichts führen.«
»Ich soll ihm sagen, daß wir jeden Mann aus Amadijah, der unser Gebiet betritt, gefangen nehmen und zurückhalten werden, bis die beiden Männer wieder bei uns sind.«
»Also Repressalien! Das würde keine großen Folgen haben, denn ihm ist es wohl sehr gleich, ob ein Bewohner Amadijah’s Euer Gefangener ist oder nicht. Und sodann müßt Ihr bedenken, daß aus einem solchen Verfahren sehr leicht bedeutende Conflicte entstehen können. Das beste würde sein, wenn es diesen Männern gelänge, zu entfliehen.«
»Das sagt auch der Bey; aber eine Flucht ist nicht möglich.«
»Warum nicht? Ist die Bewachung so streng?«
»O, die Wächter machen uns keine Sorge. Es ist ein Sergeant mit drei Männern, die wir bald überwältigt hätten; aber das könnte einen Lärm ergeben, der uns gefährlich werden möchte.«
»Gefährlich? Hm!«
»Die Hauptsache aber: es ist ganz unmöglich, in das Gefängniß zu kommen.«
»Warum?«
»Die Mauern sind zu stark, und der Eingang mit zwei Thüren verschlossen, die mit starkem Eisen beschlagen sind. Das Gefängniß stößt
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