Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
geschrieben, als die Eurige ist. Ich bin Hadschi Kara Ben Nemsi; das wird Dir auch dieser Brief beweisen, welchen der Mutessarif von Mossul mir für Dich mitgegeben hat.«
Ich reichte ihm das Schreiben hin. Als er es gelesen hatte, war er befriedigt und gab mir das Bu-djeruldi nach der gebräuchlichen Ceremonie zurück.
»Und dieser Effendi ist Hadschi Lindsay-Bey?« frug er dann.
»So ist sein Name.«
»Aus welchem Lande ist er?«
»Aus Londonistan,« antwortete ich, um den bekannteren Namen von England zu vermeiden.
»Er hat gelobt, nicht zu sprechen?«
»Er spricht nicht.«
»Und er kann zaubern?«
»Höre, Mutesselim, von der Magie soll man nicht sprechen, wenigstens nicht zu Jemand, den man noch nicht kennt.«
»Wir werden uns kennen lernen, denn ich bin ein großer Freund der Magie. Glaubst Du, daß man Geld machen kann?«
»Ja, Geld kann man machen.«
»Und daß es einen Stein der Weisen gibt?«
»Es gibt einen, aber er liegt nicht in der Erde, sondern im menschlichen Herzen vergraben und kann also auch nicht durch die Scheidekunst bereitet werden.«
»Du sprichst sehr dunkel; aber ich sehe, daß Du ein Kenner der Magie bist. Es gibt eine weiße und eine schwarze. Kennst Du alle beide?«
Ich konnte nicht anders, ich mußte lustig antworten:
»O, ich kenne auch alle andern Arten.«
»Es gibt noch andere? Welche?«
»Eine blaue, eine grüne und gelbe, auch eine rothe und graue. Dieser Hadschi Lindsay-Bey war erst ein Anhänger der graukarrirten, jetzt aber hat er die schwarzrothe angenommen.«
»Das sieht man an seinem Gewande. Selim Agha hat mir erzählt, daß er eine Kazma bei sich führt, mit welcher er in die Erde schlägt, um die Sprache der Verstorbenen zu erforschen.«
»So ist es. Aber laß uns heute darüber schweigen. Ich bin ein Krieger und Effendi, aber kein Chodscha, der Andere unterrichtet.«
Der brave Commandant hatte alle Hilfsquellen der ausgesaugten Provinz erschöpft und suchte nun sein Heil in der Magie. Es konnte mir nicht einfallen, ihn in seinem Aberglauben zu bestärken, aber ich hatte in den gegenwärtigen Verhältnissen auch keine Veranlassung, sie ihm wegzudisputiren. Oder hatte ihn nur die berühmte Hacke meines Master Fowling-bull auf den Gedanken gebracht, mit mir über die Magie zu verhandeln? Das war auch möglich. Übrigens machten meine letzten Worte wenigstens den Eindruck auf ihn, daß er in die Hände klatschte und Kaffee und Pfeifen bringen ließ.
»Ich hörte, daß der Mutessarif einen Kampf mit den Dschesidi gehabt habe?« begann er ein anderes Thema.
Dasselbe war für mich nicht ungefährlich, aber ich wußte nicht, wie ich es hätte abweisen können. Es begann grad wie ein Verhör: »Ich hörte!« Und doch mußte er als der nächste Untergebene des Gouverneur und als Commandant von Amadijah die Sache nicht bloß vom Hören-Sagen kennen. Ich trat dazu in seine eigenen Fußtapfen:
»Auch ich hörte davon.« Und um einer Frage seinerseits zuvorzukommen, fügte ich hinzu: »Er wird sie gezüchtigt haben, und nun kommen wohl die widerspenstigen Araber an die Reihe.«
Er horchte auf und blickte mich forschend an.
»Woraus vermuthest Du das, Emir?«
»Weil er selbst mit mir davon sprach.«
»Er selbst? Der Mutessarif?«
»Ja.«
»Wann?«
»Als ich bei ihm war, natürlich.«
»Wie kam er dazu?« erkundigte er sich, ohne eine Miene des Unglaubens ganz verbergen zu können.
»Jedenfalls weil er Vertrauen zu mir hatte und gewillt ist, mir in Beziehung auf diesen Kriegszug eine Aufgabe zu ertheilen.«
»Welche?«
»Hast Du einmal etwas von Politik und Diplomatik gehört, Mutesselim?«
Er lächelte überlegen.
»Wäre ich Commandant von Amadijah, wenn ich nicht ein Diplomat wäre?«
»Du hast sehr Recht! Aber warum zeigst Du es mir nicht, daß Du ein solcher bist?«
»Bin ich undiplomatisch gewesen?«
»Sehr.«
»In wiefern?«
»Weil Du mich nach meiner Aufgabe in so direkter Weise fragst, daß ich erstaunen muß. Ich darf von ihr nicht sprechen, und Du hättest es nur durch eine feine und kluge Ausforschung erfahren können.«
»Warum dürftest Du es mir nicht sagen? Der Mutessarif hat kein Geheimniß vor mir!«
»Du mußtest mich fragen, um etwas über diese Angelegenheit zu erfahren; dies ist doch der sicherste Beweis, daß der Mutessarif gegen mich offenherziger gewesen ist, als gegen Dich. Wie nun, wenn ich grad in einer Sache, die auf seinen Einfall in das Gebiet der Araber Bezug hat, nach Amadijah gekommen wäre?«
»Das ist nicht
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