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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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erbaut ist, welcher ganz allein in der Ebene steht.«
    Nach diesen und andern nothwendigen Erkundigungen lud ich sie zum Essen ein. Die beiden frei gewordenen Gefangenen langten mit einem Heißhunger zu, der mich wohl erkennen ließ, wie besorgt die alte Mersinah um das leibliche Wohl ihrer Pfleglinge sei. Halef brachte auch Kaffee, ein Getränk, welches die Kurden am schmerzlichsten vermißt hatten, ganz ebenso wie den Tabak, den sie nachher rauchten.
    Endlich brachen sie auf, eben als Selim Agha eintrat, um mir zu sagen, daß der Mutesselim bereit sei, mich zu empfangen. Sie nahmen einen herzlichen Abschied von mir und schärften mir nochmals ein, daß ich ja nach Gumri kommen möge. Dohub nahm das Packet des Dorfältesten mit, und ich war überzeugt, daß ich mir Freunde erworben hatte, auf die ich im Falle der Noth wohl sicher rechnen könne.
    Ich besuchte nun zunächst meine Patientin und wurde in dem vorderen Zimmer von ihren Eltern mit Freude empfangen.
    »Wie geht es Eurer Tochter?« fragte ich.
    »O, viel, viel besser bereits, Herr,« antwortete der Mann. »Deine Weisheit ist fast noch größer als unser Dank, denn sie kann bereits wieder vernünftig reden und hat uns auch gesagt, daß sie wirklich von den Kirschen des Todes gegessen habe. Und Deine Güte ist noch größer, als wir verdienen und ahnten; denn ich habe erfahren, daß Du kein Arzt bist, der für Lohn zu den Kranken kommt, sondern ein großer Emir, der ein Liebling des Großherrn und ein Freund des Mutessarif ist.«
    »Wer sagte dies?«
    »Die ganze Stadt weiß es bereits. Selim Agha ist Deines Lobes voll; der Mutesselim hat Dich mit Parade empfangen und auf Deinen Befehl sogar Gefangene freilassen müssen. Einer sagt es dem Andern, und so haben auch wir es erfahren.«
    »Bist Du ein Kind dieser Stadt? Ich sehe doch, daß Du doch wohl eigentlich ein Kurde bist!«
    »Du hast richtig gerathen, Effendi. Ich bin ein Kurde von Lizan und für kurze Zeit nach Amadijah gezogen, weil ich mich daheim nicht sicher fühlte.«
    »Nicht sicher? Warum?«
    »Lizan gehört zu dem Gebiete von Tijari und wird meist von nestorianischen Christen bewohnt. Diese haben große Bedrückungen zu erleiden gehabt, so daß es seit Kurzem unter ihnen gährt, als ob sie sich einmal aufraffen und Rache nehmen wollten. Weil ich nun kein Christ, sondern ein Muhammedaner bin, so habe ich mich in Sicherheit gebracht und kann hier mein Geschäft in Frieden treiben, bis die Gefahr vorüber ist.«
    »Welches Geschäft hast Du?«
    »Ich kaufe die Galläpfelernten ein und versende sie nach dem Tigris, von wo aus sie dann weiter gehen.«
    »Du bist ein Moslem, und doch ist die alte Mutter, welche ich bei Dir sah, eine Christin. Wie kommt das?«
    »Emir, das ist eine Geschichte, die mich und mein Weib sehr betrübt. Der Ahne war ein berühmter Melek der Tijaris und nahm die Lehre an von Christus, dem Gekreuzigten. Sein Weib, die Ahne, die Du gesehen hast, that dasselbe. Aber sein Sohn war ein treuer Anhänger des Propheten und trennte sich vom Vater. Dieser starb und der Sohn später auch, der die Würde eines Melek verloren hatte. Er war arm geworden um des Propheten willen, trotzdem sein Vater einer der reichsten Fürsten des Landes war. Seine Kinder blieben auch arm, und als ich mein Weib heirathete, die seine Enkelin ist, hatte sie kaum ein Kleid, um ihre Blöße zu bedecken. Aber wir liebten einander, und Allah segnete uns; wir wurden reich.«
    »Und die Ahne?«
    »Wir hatten sie nie gesehen, bis sie uns einst in Lizan aufsuchte. Sie zählte über hundert Jahre, glaubte, nun bald sterben zu müssen, und wollte ihre Kindeskinder einmal sehen. Seit jener Zeit hat sie uns jährlich zweimal besucht; aber wir wissen nicht, woher sie kommt und wohin sie geht.«
    »Habt Ihr sie nicht gefragt?«
    »Einmal nur, aber da antwortete sie nicht und verschwand auf lange Zeit. Seitdem haben wir diese Frage nie wieder ausgesprochen. Sie ist jetzt bei der Kranken. Willst Du diese sehen?«
    »Ja; kommt!«
    Ich fand die Patientin bedeutend besser. Die Röthe war verschwunden; der Puls ging matt, aber ruhiger, und sie vermochte, wenn auch mit einiger Anstrengung, doch geläufiger zu sprechen, als da ich sie zuerst gesehen hatte, wo sie in der Betäubung fabulirte. Die Pupille hatte sich verengert, aber die Schlingbeschwerden waren noch vorhanden. Sie blickte mir neugierig und dankbar entgegen und erhob die Hand, um mir zu danken.
    Ich rieth, mit dem Kaffee und Zitronensaft fortzufahren, und empfahl dabei

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