Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Weines.
»Wollte doch Allah, daß Du an meiner Stelle wärest!«
»Das wird der Prophet verhüten! Dein Schicksal ist ein sehr schlimmes!«
»Ich fürchte mich nicht!«
»Du hast den Agha hier ermorden wollen.«
»Er ist es werth!«
»Hast ihn bestechen wollen.«
»Er ist die Dummheit selbst!«
»Hast ihn gleich bezahlen wollen.«
»Der Kerl verdiente, gehängt zu werden!«
»Vielleicht wären Deine Wünsche zu erfüllen,« meinte der Commandant mit schlauer Miene. Infolge des Weingenusses und vor Erwartung der hoffentlichen Beute strahlte sein Angesicht.
»Wie?« zuckte der Makredsch auf. »Sprichst Du im Ernste?«
»Ja.«
»Du willst mit mir handeln?«
»Ja.«
»Wie viel wollt Ihr haben?«
»Wie viel hast Du bei Dir?«
»Mutesselim, ich brauche Reisegeld!«
»Wir werden so billig sein, es Dir zu lassen.«
»Gut, so wollen wir verhandeln. Aber nicht in diesem Loche!«
»Wo sonst?«
»In einem Raume, der für Menschen, nicht aber für Ratten ist.«
»So komm herauf!«
»Gebt mir die Hand!«
»Selim Agha, thue es!« meinte der Commandant, der seinem Gleichgewichte nicht zu trauen schien.
Dem Agha aber kam ganz dasselbe Bedenken, denn er gab mir einen Stoß in die Seite und ermahnte mich:
»Effendi, thue Du es!«
Ich streckte also, um die Sache nicht zu verzögern, meinen Arm aus, faßte den Makredsch bei der Hand und zog ihn heraus.
»Wohin soll er?« frug ich.
»In die Wächterzelle,« antwortete der Commandant.
»Soll ich diese Thüre auflassen oder – – –?«
»Lehne sie nur an!«
Ich machte mir mit der Thüre zu schaffen, um die Drei erst in die Zelle eintreten zu lassen, aber das ging nicht; der Commandant wartete auf mich. Ich mußte also an etwas Anderes denken.
Voran trat der Makredsch ein, hinter ihm der Commandant mit der Lampe, dann der Agha und endlich ich. In dem Augenblicke, in welchem diese Ordnung aufgelöst wurde, genügte ein schneller, bei dem Agha vorüber geführter Stoß meiner Hand an den Ellenbogen des Commandanten, um diesem die Lampe aus der Hand zu werfen.
»Agha, was tust Du!« rief dieser.
»Ich war es nicht, Herr!«
»Du stießest mich! Nun ist es finster. Schaffe eine andere Lampe!«
»Ich werde sie von den Arnauten holen,« meinte ich und verließ die Zelle. Ich verschloß sie, trat an die Thüre der Nachbarzelle und schob leise die Riegel zurück.
»Amad el Ghandur!«
»Herr, bist Du es?«
»Ja. Komme schnell herauf.«
Er stieg mit meiner Hilfe empor, und ich schob den Riegel wieder vor.
»Sprich nicht, sondern eile sehr!« flüsterte ich.
Ich faßte ihn, führte ihn rasch an die Außenthüre des Gefängnisses, trat mit ihm hinaus und zog die Thüre wieder heran.
Die frische Luft trieb ihn fast zurück. Er war sehr schwach.
Ich nahm ihn wieder bei der Hand; im Fluge ging es fort, um zwei Ecken hinum, und bei der dritten hielten wir. Seine Lungen athmeten laut.
»Fasse Dich! Dort ist meine Wohnung, und dort ist auch Dein Vater.«
Ich stieß das verabredete Krächzen aus, und sofort erblickte ich einen Lichtschein, an dem ich erkannte, daß die Hausthüre aufgestoßen worden war.
Wir eilten über den Platz hinüber. Unter der Thüre stand Halef.
»Schnell hinein!«
Nun eilte ich zurück. Ich erreichte das Gefängniß in einer Zeit von sicher nicht zwei Minuten, nachdem wir es verlassen hatten, machte die Thüre zu und sprang die dunkle, mir aber nun bekannte Treppe hinauf. In einigen Sekunden befand ich mich wieder unten und kehrte in die Wächterzelle zurück.
»Du warst lange fort, Effendi!« bemerkte der Mutesselim.
»Die Wächter wollten wissen, warum sie eingeschlossen sind.«
»Hättest Du ihnen eine Ohrfeige statt einer Antwort gegeben! Warum hast Du uns eingeschlossen?«
»Herr, es war ja ein Gefangener bei Euch!«
»Du bist vorsichtig, Emir; Du hast recht gethan. Setze die Lampe her und laß uns beginnen!«
Es verstand sich ganz von selbst, daß der Commandant nicht beabsichtigte, den Gefangenen gegen das Geld desselben freizugeben. Er wollte das Geld nur durch eine List an sich bringen, weil er den Widerstand des Makredsch fürchtete. Aber diese List war eine Hinterlist, eine Treulosigkeit und zugleich jedenfalls eine große Unvorsichtigkeit. Sie Beide befanden sich in einem angetrunkenen Zustande; der Makredsch konnte sie überwältigen, ihnen den Schlüssel abnehmen und entfliehen, ohne daß es den eingeriegelten Arnauten möglich gewesen wäre, ihnen beizustehen.
»Nun sage, wie viel Geld Du bei Dir hast!«
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