Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
reichen Teppich an den Abhängen hinauf. Dieser gesunde Ort bot einen grellen, aber lieblichen Gegensatz zu der von giftigen Lüften erfüllten Festung Amadijah.
Während die Anderen im schnellen Tempo weiter ritten, um Späherblicken baldigst zu entgehen, stieg ich mit dem Engländer vor der Wohnung eines Geldwechslers ab, da Lindsay sich einen Vorrath von landläufigen Münzen einwechseln wollte.
Die Spitze der Höhe erreichten wir nach einer halben Stunde, obgleich die Strecke zwei englische Meilen beträgt, und nun sahen wir das Tal von Berwari vor uns liegen, wo wir vor jeder Verfolgung von Seiten der Türken in Sicherheit waren.
In der Ferne blauten die Tijariberge, von denen uns besonders der Kegel von Aschiehtah in die Augen fiel. Seine Spitze glänzte weiß, denn er war mit Schnee bedeckt, während wir vor noch ganz kurzer Zeit auf den Weidegründen der Haddedihn den reichen Blumenstaub mit den Beinen unserer Pferde aufgewühlt hatten.
Rechts davon stieg hinter den wasserreichen Thälern des Zab das Bergland von Tkhoma empor, und weiter nach Süden sahen wir die Höhen des Tura Ghara, des Dschebel Haïr und des Zibar-Landes. Von Tijari und Tkhoma hatte die alte Marah Durimeh gesprochen. Ich mußte unwillkürlich an ihr Geheimniß denken, an den ›Geist der Höhle‹, der dort zwischen jenen Bergen hauste.
Bald mußten wir ein kurdisches Dorf erreichen. Meine Erlebnisse bei den Kurden und meine Begegnung mit dem ›Geist der Höhle‹ werde ich ein ander Mal erzählen. Jetzt aber danke ich dem freundlichen Leser, der mich bis hieher begleitet hat.
Die freundlichen Leser haben mich und meine vier Gefährten im vorigen Jahrgang des ›Deutschen Hausschatzes‹ über die türkische Grenzfestung Amadijah hinaus begleitet – bis auf die Höhe, wo wir das thal von Berwari in Kurdistan vor uns liegen sahen; ich lade sie nun ein, mir weiter folgen zu wollen.
Jetzt führte uns der Pfad bergab. Wir folgten ihm langsam, um die Pferde zu schonen. Unten aber nahmen wir einen schnelleren Schritt an, und als wir die Ebene Newdascht erreichten, gaben wir den Pferden die Sporen, so daß sie mit vogelhafter Schnelligkeit über den dürren Boden, welcher diese Ebene kennzeichnet, dahinbrausten.
Wir kamen in das Dorf Maglana, von welchem Dohub, der Kurde, mit mir gesprochen hatte. Es wird von lauter Kurden bewohnt, welche mit den umliegenden chaldäischen Christen in steter Feindschaft leben. Wir hielten nur an, um uns nach dem Weg zu erkundigen, und dann ging es wieder vorwärts. Wir kamen durch verfallene Ortschaften, bei deren Untergang die Feuersbrunst der Hütten das Blut der Bewohner derselben aufgeleckt hatte. Die Trümmer lagen zerstreut; die Thiere des Waldes hatten die Knochen, welche wir hier und da liegen sahen, abgenagt. Mich schauderte.
In der Ferne, rechts oder links sahen wir zuweilen Rauch aufsteigen; es zeigte sich uns die unbeworfene Mauer eines Hauses; ein einzelner Reiter tauchte vor uns auf, bemerkte uns und schwenkte rasch zur Seite ab. Wir befanden uns auf keinem friedlichen Boden, und er sah, daß wir ihm an Zahl überlegen waren. Genau so geht es den Vögeln des Waldes, die bei jedem Flügelschlage eines Feindes gewärtig sein müssen und dann ihr einziges Heil in der Verborgenheit finden.
Nun dunkelte der Abend herein, und vor uns auf der Ebene sahen wir vielleicht dreißig Häuser zerstreut liegen. Es war das kleine Dorf Tiah, wo wir zu übernachten dachten. Wie der Empfang sein würde, das wußten wir allerdings noch nicht.
Man hatte uns von Weitem erblickt, und eine Anzahl von Männern war zu Pferde gestiegen, um uns entweder als Feind zurückzuweisen oder als Freund zu empfangen. Eine Strecke von ungefähr zweitausend Schritten vor dem Dorfe hielten sie an, um uns zu erwarten.
»Bleibt ein wenig zurück!« sagte ich und ritt voran.
Ich sah, wie sie bei dem Anblick meines Pferdes einander die Köpfe zukehrten, und so stolz mich diese Bewunderung machte, so bedenklich mußte sie mir auch sein. Ein gutes Pferd, schöne Waffen und Geld: – wer eines von diesen drei Dingen besitzt, der ist bei diesen räuberischen Völkerschaften nie sicher, es zu verlieren und das Leben dazu.
Einer von ihnen ritt einige Schritte vor.
»Ivari ‘l kher – guten Abend!« grüßte ich ihn.
Nachdem er gedankt hatte, ließ er seinen Blick von meinem Turban bis zu den Hufen meines Pferdes herabgleiten und begann ein Verhör.
»Woher kommst Du?«
»Von Amadijah.«
»Wohin willst Du?«
»Nach Kalah
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