Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
wird.«
»Woher weißt du, daß er ein Schurke ist?«
»Abu el Reïsahn sagt es.«
»Ja,« bestätigte dieser; »ich kenne diesen Kapitän und kenne auch sein Schiff. Selbst wenn es weiter entfernt wäre, würde ich es an seinem Segel erkennen, welches dreifach ausgebessert und zusammengeflickt ist.«
»Was werden wir thun?« fragte Isla.
»Zunächst abwarten, ob Abrahim sich an Bord befindet.«
»Und wenn er da ist?«
»So kommt er nicht zu uns herüber.«
Unser Schiffsführer prüfte den Fortgang des Sandal und denjenigen, den wir selbst machten, und meinte dann:
»Er kommt uns immer näher. Ich werde eine Trikehtabeisetzen lassen.«
Kleineres Segel.
Dies geschah, aber ich merkte bereits nach einigen Minuten, daß die Entscheidung dadurch höchstens verzögert, nicht aber aufgehoben werde. Der Sandal kam uns immer näher; endlich war er nur noch eine Schiffslänge von uns entfernt und ließ das eine Segel fallen, um seine Schnelligkeit zu vermindern. Wir sahen Abrahim-Mamur auf dem Deck stehen.
»Er ist da!« sagte Isla.
»Wo steht er?« fragte der Reïs.
»Ganz vorn am Buge.«
»Dieser? Kara Ben Nemsi, was thun wir? Sie werden uns ansprechen, und wir müssen ihnen antworten.«
»Wer hat nach deinen Gesetzen zu antworten?«
»Ich, der Inhaber meiner Dahabïe.«
»Merke auf, was ich dir sage, Abu el Reïsahn. Bist du bereit, mir dein Schiff von hier bis Kahira zu vermieten?«
Der Kapitän sah mich erstaunt an, begriff dann aber gleich, was ich für einen Zweck verfolgte.
»Ja,« antwortete er.
»Dann bin also ich der Inhaber?«
»Ja.«
»Und du als Reïs mußt thun, was ich will?«
»Ja.«
»Und bist für nichts verantwortlich?«
»Nein.«
»Gut. Rufe deine Leute zusammen!«
Auf seinen Ruf kamen alle herbei, und der Kapitän erklärte ihnen:
»Ihr Männer, ich sage euch, daß dieser Effendi, welcher Kara Ben Nemsi heißt, unsere Dahabïe von hier bis Kahira gemietet hat. Ist es nicht so?«
»Ja, es ist so,« bestätigte ich.
»Ihr könnt mir also bezeugen, daß ich nicht mehr Herr des Schiffes bin?« fragte er die Leute.
»Wir bezeugen es.«
»So geht an eure Plätze. Das aber müßt ihr wissen, daß ich die Leitung des Schiffes behalte, denn Kara Ben Nemsi hat es mir befohlen.«
Sie entfernten sich, sichtlich befremdet über die sonderbare Mitteilung, welche ihnen geworden war.
Mittlerweile war der Sandal in gleiche Linie mit uns gekommen. Der Kapitän desselben, ein alter langer, sehr hagerer Mann mit einer Reiherfeder auf dem Tarbusch, trat an die Bordung und fragte herüber:
»Ho, Dahabïe, welcher Reïs?«
Ich neigte mich vor und antwortete:
»Reïs Hassan.«
»Hassan Abu el Reïsahn?«
»Ja.«
»Schön, kenne ihn,« antwortete er mit schadenfroher Miene. »Ihr habt ein Weib an Bord?«
»Ja.«
»Gebt es heraus!«
»Chalid Ben Mustapha, du bist verrückt!«
»Wird sich finden. Wir werden an euch anlegen.«
»Das werden wir verhindern.«
»Wie willst du dies anfangen?«
»Das will ich dir sofort zeigen. Merke auf die Feder an deinem Tarbusch!«
Ich erhob sehr schnell die Büchse, welche ich, ohne daß er sie gesehen hatte, bereit gehalten hatte, zielte und drückte los. Die Feder flog herab. Selbst das entsetzlichste Unglück hätte den würdigen Ben Mustapha nicht so in Aufregung versetzen können, wie dieser Warnungsschuß. Er fuhr so hoch in die Luft, als beständen seine hageren Gliedmaßen aus elastischem Gummi, hielt sich den Kopf mit beiden Händen und floh hinter den Mast.
»Jetzt weißt du, wie ich schieße, Ben Mustapha,« rief ich hinüber. »Wenn dein Sandal noch eine einzige Minute bei uns backseits fährt, so schieße ich dir nicht die Feder vom Tarbusch, sondern die Seele aus dem Leibe; darauf kannst du dich verlassen!«
Diese Drohung hatte eine augenblickliche Wirkung. Er eilte an das Steuer, riß es aus den Händen dessen, der es bisher regiert hatte, und drehte ab. In zwei Minuten befand sich der Sandal in einer solchen Entfernung von uns, daß ihn meine Kugel nicht erreichen konnte.
»Jetzt sind wir für den Augenblick sicher,« meinte ich.
»Er wird nicht wieder so nahe kommen,« stimmte Hassan bei; »aber er wird uns auch nicht aus dem Auge lassen, bis wir irgendwo an das Ufer legen, wo er die Hilfe des Gesetzes in Anspruch nehmen wird. Die fürchte ich freilich nicht; aber ich fürchte etwas anderes.«
»Was?«
»Das da!«
Er deutete mit der Hand hinaus auf das Wasser, und wir verstanden sogleich, was er meinte.
Schon seit einiger Zeit
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