Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
bewaffneten, finster blickenden Männern besetzt war. Es waren Khawassen – Polizisten.
»Du wirst wohl nicht sofort umlenken,« meinte ich zu Hassan.
»Und doch, wenn du es befiehlst. Ich habe nur dir zu gehorchen.«
»Ich befehle es nicht; ich möchte im Gegenteil die hiesige Polizei einmal kennen lernen.«
Das Boot legte bei uns an, und alle seine Insassen stiegen an Bord, noch ehe wir das Ufer erreicht hatten. Die Bemannung des Sandal war hier auch gelandet, hatte erzählt, daß Abrahim im Schellahl ertrunken sei, und auch von dem Frauenraube berichtet. Sodann war, wie wir später erfuhren, der alte Reïs Chalid Ben Mustapha eilenden Fußes zum Richter gelaufen und hatte eine so wohlgesetzte Rede gehalten über mich, den ungläubigen Mörder, Aufrührer, Räuber und Empörer, daß ich eigentlich sehr zufrieden sein mußte, nur mit dem Hängen oder Säcken davonzukommen.
Da die Gerechtigkeit jener Länder von der wichtigen Erfindung der Aktenstöße noch keine Notiz genommen hat, so wird in Rechtsfällen überaus schnell und summarisch verfahren.
»Wer ist der Reïs dieses Schiffes,« fragte der Anführer der Khawassen.
»Ich,« antwortete Hassan.
»Wie heißest du?«
»Hassan Abu el Reïsahn.«
»Hast du auf deinem Schiffe einen Effendi, einen Hekim, der ein Ungläubiger ist?«
»Da steht er und heißt Kara Ben Nemsi.«
»Und ist hier auf deinem Schiffe auch ein Weib, Namens Güzela?«
»Sie ist in der Kajüte.«
»Wohlan, ihr seid meine Gefangenen allesamt und folgt mir zum Richter, während ich das Schiff von meinen Leuten bewachen lasse!«
Die Dahabïe legte an, und ihre ganze Bemannung nebst sämtlichen Passagieren wurde »sofort anhero transportiert«. Senitza, tief verschleiert, ward in eine bereitstehende Sänfte gehoben und mußte unserm Zuge folgen, der bei jedem weiteren Schritte größer wurde, weil jung und alt, groß und klein sich ihm anschloß. Hamsad al Dscherbaja, der Ex-Barbier, schritt hinter mir her und pfiff nach dem Takte seiner Beine munter sein »Muß i denn, muß i denn zum Städtele hinaus!«
Der Sahbeth-Bei oder Polizeidirektor saß mit seinem Sekretär bereits unserer Ankunft gewärtig.
Er trug die Abzeichen eines Bimbaschi, eines Majors oder Befehlshabers von tausend Mann, hatte aber trotzdem weder ein kriegerisches noch ein übermäßig intelligentes Aussehen. Wie die ganze Bemannung des Sandal, so hatte auch er Abrahim-Mamur für ertrunken gehalten und empfing den vom Tode Auferstandenen mit einem Respekte, der ganz das Gegenteil von dem Blick war, den er uns zuwarf.
Wir wurden in zwei Lager geteilt: hüben die Bemannung des Sandal mit Abrahim und einigen seiner Diener, die er mitgenommen hatte, und drüben die Leute von der Dahabïe mit Senitza, Isla und mir nebst Halef und dem Barbier.
»Befiehlst du eine Pfeife, Herr?« fragte der Sahbeth-Bei den vermeintlichen Mamur.
»Lasse sie bringen!«
Er erhielt sie nebst einem Teppich, um sich darauf niederzusetzen. Dann begann die Verhandlung:
»Hoheit, sage mir deinen von Allah gesegneten Namen!«
»Er lautet Abrahim-Mamur.«
»So bist du ein Mamur. In welcher Provinz?«
»In En-Nasar.«
»Du bist der Ankläger. Sprich; ich höre zu und werde richten.«
»Ich klage an diesen Giaur, der ein Hekim ist, der Tschikarma; ich klage an den Mann, der neben ihm steht, der Tschikarma, und ich klage an den Führer der Dahabïe der Mithilfe beim Frauenraube. Wie weit die Diener dieser beiden Männer und die Matrosen der Dahabïe beteiligt sind, das magst du bestimmen, o Bimbaschi.«
»Erzähle, wie der Raub vollendet wurde.«
Abrahim erzählte. Als er geendet hatte, wurden seine Zeugen verhört, was die Folge hatte, daß ich von dem Reïs des Sandals, Herrn Chalid Ben Mustapha, auch noch des Mordversuches bezüchtigt wurde.
In den Augen des Sahbeth-Bei leuchtete der Blitz, als er sich nun zu mir wandte.
»Giaur, wie ist dein Name?«
»Kara Ben Nemsi.«
»Wie heißt deine Heimat?«
»Dschermanistan.«
»Wo liegt diese Handvoll Erde?«
»Handvoll? Hm, Bimbaschi, du beweisest, daß du sehr unwissend bist!«
»Hund!« fuhr er auf. »Was willst du sagen?«
»Dschermanistan ist ein großes Land und hat zehnmal mehr Einwohner als ganz Ägypten. Du aber kennst es nicht. Du bist überhaupt ein schlechter Geograph und darum lässest du dich von Abrahim-Mamur belügen.«
»Wage es, noch so ein Wort zu sagen, und ich lasse dich mit dem Ohre an die Wand nageln.«
»Ich wage es! Dieser Abrahim sagt, er sei der Mamur der
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