Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
ab.
Ein großer Theil der Stammesangehörigen begleitete uns bis an den Euphrat, an dessen linkem Ufer wir Abschied nahmen: Halef auf kurze Zeit, ich aber für lebenslang. Mit allem Nöthigen reichlich versehen, setzten wir über den Fluß und hatten ihn dann bald aus den Augen verloren. Eine Woche später erblickten wir die Höhen des Hauran vor uns, hatten aber zwei Tage vorher eine Begegnung, welche von einigem Einflusse für spätere Begebenheiten war.
Wir sahen nämlich des Morgens vier Kameelreiter weit vor uns, welche die gleiche Richtung mit uns einzuhalten schienen. Da den Beduinen des Hauran nicht recht zu trauen ist, so wäre es uns lieb gewesen, Begleiter zu bekommen, und darum ritten wir schneller, um jene Reiter einzuholen. Als sie uns bemerkten, trieben auch sie ihre Thiere zu einem rascheren Gang an, doch kamen wir ihnen trotzdem immer näher. Als sie dies erkannten, hielten sie an und wichen seitwärts, um uns vorüber zu lassen. Es war ein älterer Mann mit drei jüngeren, rüstigen Begleitern; sie sahen nicht sehr kriegerisch aus, hatten aber die Hände an den Waffen, um uns Respekt einzuflößen.
»Sallam!« grüßte ich, mein Pferd anhaltend. »Laßt die Waffen in Ruhe; wir sind keine Räuber.«
»Wer seid Ihr?« frug der Ältere.
»Wir sind drei Franken aus dem Abendlande, und dieser mein Diener ist ein friedlicher Araber.«
Da erheiterte sich das Gesicht des Mannes, und er frug in gebrochenem Französisch, jedenfalls um sich von der Wahrheit meiner Behauptung zu überzeugen:
»Aus welchem Lande sind Sie, mein Herr?«
»Aus Deutschland.«
»Ah,« meinte er naiv, »das ist ein sehr friedliches Land, in welchem die Bewohner nichts thun, als Bücher lesen und vielKaffee trinken. Woher kommen Sie? Sind Sie vielleicht auch ein Kaufmann wie ich?«
»Nein. Ich reise, um über die Länder, welche ich sehe, Bücher zu schreiben, welche dann zum Kaffee gelesen werden. Ich komme von Bagdad und will nach Damaskus.«
»Aber Sie tragen ja anstatt des Schreibzeuges so viele Waffen bei sich!«
»Weil ich mich mit dem Schreibzeuge wohl schwerlich gegen die Beduinen vertheidigen könnte, welche den von mir eingeschlagenen Weg unsicher machen.«
»Das ist wahr,« nickte der Mann, der sich einen Schriftsteller nicht anders vorgestellt zu haben schien, als mit einer gigantischen Feder hinter dem Ohre, ein Sattelpult vor sich und zu jeder Seite des Pferdes ein riesiges Tintenfaß. »Jetzt haben sich die Anazeh nach dem Hauran gezogen, und gegen diese muß man vorsichtig sein. Wollen wir zusammenhalten?«
»Gern. Sie gehen auch nach Damaskus?«
»Ja. Ich wohne dort; ich bin Kaufmann und mache jährlich mit einer kleinen Karavane eine Handelsreise zu den Arabern des Südens. Von einer solchen kehre ich jetzt zurück.«
»Gehen wir über den östlichen Hauran, oder halten wir uns links nach der Mekkastraße hinüber?«
»Welches wird das Beste sein?«
»Das Letztere jedenfalls.«
»Ich stimme bei. Waren Sie schon einmal hier?«
»Nein.«
»Dann werde ich Sie führen. Vorwärts!«
Das vorherige Mißtrauen des Kaufmanns war vollständig verschwunden. Er zeigte sich als ein offener, redseliger Charakter, und bald erfuhr ich, daß er eine nicht unbedeutende Summe bei sich trage, die er aus seinen Waaren gelöst habe. Zwar war er von den Arabern meist mit Naturalien bezahlt worden, hatte diese aber vortheilhaft verkaufen können.
»Auch mit Stambul stehe ich in lebhafter Verbindung,« meinte er. »Gehen Sie auch dorthin?«
»Ja.«
»O, dann können Sie mir einen Brief an meinen dortigen Bruder besorgen, wofür ich Ihnen sehr dankbar sein würde!«
»Mit Vergnügen. Erlauben Sie also, daß ich Sie in Damaskus besuche, um den Brief abzuholen?«
»Kommen Sie! Mein Bruder Maflei ist gleichfalls Kaufmann und hat weitreichende Verbindungen. Vielleicht kann er Ihnen nützlich sein.«
»Maflei? Hm! Diesen Namen habe ich bereits irgendwo gehört!«
»Wo?«
»Hm, lassen Sie mich nachsinnen – – – ja, jetzt habe ich es! Ich traf in Ägypten den Sohn eines Stambuler Kaufmannes; er hieß Isla Ben Maflei.«
»Wirklich? O, das ist außerordentlich! Isla ist nämlich mein Neffe, der Sohn meines Bruders.«
»Wenn es wirklich derselbe Isla gewesen ist!«
»Beschreiben Sie ihn mir!«
»Besser als eine jede Beschreibung wird wohl die Bemerkung sein, daß er dort am Nile ein Mädchen wiederfand, welches seinen Eltern geraubt worden war.«
»Das stimmt; das stimmt! Wie hieß das
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