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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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breit und steht an der Stelle eines heidnischen Tempels, welchen Kaiser Theodosius zerstörte. Arkadius erbaute an demselben Orte eine christliche, dem heiligen Johannes geweihte Kirche. In ihr befand sich der Schrein, in welchem das abgeschlagene Haupt Johannes des Täufers aufbewahrt wurde und das von Chalid, dem Eroberer von Damaskus, noch vorgefunden worden sein soll.
    Dieser Chalid, welchen die Moslemin ›das Schwert Gottes‹ nennen, machte die Hälfte der Johanneskirche zur Moschee, eine Seltsamkeit, welche ihren besonderen Grund hatte. Die Belagerungsarmee bildete nämlich zwei Heerhaufen; der eine lag unter Chalid selbst vor dem Ostthore und der andere unter dem milden Abu Obeïda vor dem Westthore. Über die Länge der Belagerung von Zorn entbrannt, schwur Chalid, keinen einzigen Einwohner zu schonen. Er drang endlich siegreich durch das Ostthor ein und ließ das Würgen beginnen. Da beeilte sich der westliche Stadttheil, einen Vertrag mit Abu Obeïda abzuschließen und ihm das Thor unter der Bedingung freiwillig zu öffnen, daß er die Menschen schonen werde. Er ging darauf ein. Beide Heerhaufen bewegten sich nun auf der ›geraden Straße‹ von entgegengesetzten Richtungen auf einander zu und stießen bei und in der Johanneskirche zusammen. Auf Abu Obeïda’s Vorstellung hielt Chalid mit Morden ein und bewilligte, daß den Christen die eine Hälfte der Kirche verbleiben solle.
    So beteten ungefähr 150 Jahre lang Christen und Muhammedaner in demselben Tempel, bis es Welid dem Ersten einfiel, das Bauwerk ganz für seine Glaubensgenossen in Anspruch zu nehmen. Er bot zwar anderweitigen Ersatz für den Verlust, welchen die Christen dadurch erlitten, aber diese trauten seinem Versprechen nicht und traten seinem Vorschlage entgegen. Es gab eine Weissagung, daß derjenige, welcher an diesen TempelGottes die Hand legen werde, unrettbar dem Wahnsinne verfallen sei, und man glaubte, daß der Khalif sich durch diese Prophezeiung abschrecken lassen würde. Dies geschah aber nicht; vielmehr war er der Erste, welcher den Hammer ergriff, um das herrliche Altarbild zu zertrümmern. Dann wurde der Eingang der Christen vermauert. Die Kirche – nun völlig Moschee – erhielt geschlossene Hallen aus korinthischen Säulen und ward mit Mosaik und sechshundert massiv goldenen Ampeln ausgeschmückt. Zu ihrer Neugestaltung wurden gegen zwölfhundert griechische Baumeister und Künstler herbeigerufen; man schleppte die schönsten Säulen Syrien’s nach Damaskus, und die Überlieferung berichtet, daß achtzehn Lastthiere an den Rechnungen zu tragen hatten, als der Khalif dieselben berichtigen wollte. Welid bezahlte und ließ dann die Rechnungen verbrennen, um den Betrag der riesigen Kosten zu einem ewigen Geheimnisse zu machen.
    Mokaddy, ein arabischer Schriftsteller, erzählt, daß die Wände der Moschee bis zu einer Höhe von zwölf Fuß mit Marmor bekleidet und dann bis zur Decke mit Mosaiken von Glas in Gold und Farben geschmückt seien. Auch die Deckengewölbe der Seitenhallen, welche von schwarzen Säulen mit goldenen Kapitälen getragen wurden, und die Zinnen nach außen und über dem Hofe, die auf weißen Marmorsäulen ruhten, waren mit reicher Mosaik ausgestattet. Auf dem Kubbet en Nisr ruhte eine goldeneCitrone und auf ihr eine eben solche Granate. Die drei Minarehs der Moschee stammen aus verschiedenen Zeiten. Das ›Brautminareh‹ im Norden wurde als einfacher Thurm mit kegelartigem Aufsatze von Welid erbaut; El Gharbije aber zeigt egyptisch-arabischen Styl, nämlich ein zierliches Achteck, welches von Galerie zu Galerie sich verjüngt und in einem Kugelknopfe endet. Das dritte oder Isa-Minareh hat neben seinem viereckigen Thurme noch einen schlanken Thurm im türkischen Style mit Spitzdach und zwei Rundbalkonen für den Mueddin. Auf dem höheren dieser Balkone wird Christus stehen, wenn er am Ende der Tage die Guten und die Bösen von einander scheidet.
    Ganz in der Nähe dieser Moschee, auf der ›geraden Straße‹, lag die Wohnung meines Reisegefährten. Der Eingang zu derselben befand sich in einem engen Seitengäßchen, in welches ich mit ihm einbog, da es mir unmöglich war, seine Gastfreundlichkeit zurückzuweisen. Wir hielten vor einer hohen Backsteinmauer, in welcher sich außer dem nicht sehr hohen und breiten Thore keine einzige Öffnung befand. Der Kaufmann stieg ab, hob einen Stein vom Boden auf und klopfte damit kräftig an die Thür. In kurzer Zeit wurde dieselbe von innen geöffnet, und ein wie

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