Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
ich es für besser, den Morgen abzuwarten; aber dies gab seine Ungeduld nicht zu. Er schickte nach einem Führer, welcher im Stande war, auch während der Nacht den Weg zu finden. In seiner fieberhaften Unruhe konnte ihm nichts schnell genug gethan werden, und ich hatte kaum meines Versprechens an die Aussätzigen gedacht, als er auch schnell selbst für die Erfüllung desselben sorgte.
So vergingen doch seit meiner Rückkehr einige Stunden, ehe wir reisefertig waren. Jacub hatte vorgezogen, Miethpferde zu nehmen, zwei derselben für sich und einen Diener und ein drittes für das nothwendige Gepäck. Da er nicht sagen konnte, wohin der Ritt uns führen und wie lange Zeit er dauern werde, so hatte er sich auch mit einer größeren Summe Geldes versehen.
Unser Abschied nahm nicht viel Zeit in Anspruch. Der Vollmond hatte sich erhoben, als wir die ›gerade Straße‹ hinabritten, dem ›Gottesthore‹ zu: voran der Führer neben dem Besitzer der Miethpferde, dann wir, nämlich Jacub und dessen Diener, Halef, ich und die Irländer, und hinter uns die Khawassen.
Die Thorwache wurde gar nicht beachtet, rasch ritten wir an ihr vorüber. Draußen vor Salehiëh bog ich zur Seite, wo ich die Aussätzigen liegen sah. Unser Kommen weckte sie vom Schlafe, und sie waren höchlichst erfreut über das umfangreiche Packet, welches ich für sie auf den Boden niedergleiten ließ. Dann ging es weiter. Salehiëh lag hinter uns, und nun trabten wir an dem Gehänge empor, welches hinauf zum Kubbet en Nassr führt, jenem herrlichen Aussichtspunkt, den ich bereits erwähnt habe.
Dort oben, am Grabe des mohammedanischen Heiligen, wandte ich mich um und warf einen Blick hinab auf Damaskus, den letzten im Leben. Da lag die Stadt, im Monde glänzend wie eine Wohnung von Geistern und Dschinnen, umgeben von dem dunklen Ringe der Ghuta. Rechts kam die Straße von Hauran, die mich herbeigeführt hatte, und ganz draußen führte der Karavanenweg nach Palmyra, welches mir verschlossen blieb. Ich hatte nicht geahnt, daß mein Aufenthalt in Damaskus ein so kurzer sein werde.
Hinter Kubbet en Nassr wendeten wir uns rechts gegen das Gehänge des Dschebel Rebach hin und erreichten den Engpaß Rabuh, von welchem aus es an den Wassern des Barrada nach Dümar ging, einem großen Dorfe, wo wir zum ersten Male Halt machten.
Mit Hülfe der Khawassen wurde der Vorsteher des Ortes geweckt, um Erkundigungen einzuziehen, und seinen Nachforschungen verdankten wir die Nachricht, daß am späten Nachmittag vier Reiter im Galoppe durch das Dorf geritten seien; unter ihnen ein grau gekleideter Inglis mit blauen Gläsern vor den Augen. Sie hatten den Weg nach Es Suk eingeschlagen, den auch wir ohne Verzug verfolgten.
Der Tag brach an, als wir über die Hochebene von El Dschedide ritten; dann kamen wir links von der Stelle vorüber, wo einst die Hauptstadt des alten Abilene lag; auf der anderen Seite erblickten wir den Berg, welcher Abel’s Grabstätte trägt. Nun folgten mehrere kleine Dörfer, deren Namen ich vergessen habe, und in einem derselben mußten wir anhalten, um unseren angegriffenen Pferden Ruhe zu gönnen.
Wir hatten jetzt eine Strecke zurückgelegt, welche eigentlich einen vollen Tagmarsch in Anspruch nahm. Wenn wir auch fernerhin den Thieren eine solche Anstrengung zumutheten, so war es sicher, daß sie uns nicht sehr weit tragen würden. Übrigens erfuhren wir von den Leuten, welche herbei kamen, um uns freundschaftlich mit Früchten zu beschenken, daß sie die von uns gesuchten Reiter zwar nicht gesehen hätten, aber am späten Abend habe man hören können, daß ein kleiner Trupp den Ort passirte.
Nachdem die Pferde sich leidlich erholt hatten, brachen wir nach Es Suk auf, welches nicht sehr ferne lag, konnten hier aber nichts Gewisses erfahren. Hinter dem Orte kam uns ein einzelner Reiter entgegen. Es war ein alter, weißbärtiger Araber, den unser Führer freudig begrüßte und uns dann mit den Worten vorstellte:
»Das ist Abu Medschach, der Chabir, welcher den Inglis geleitet hat.«
»Das bist Du?« rief Jacub. »Wo hast Du ihn gelassen?«
»In Sebdani, Herr.«
»Wie viele Männer waren bei ihm?«
»Zwei, ein Dragoman und ein Diener.«
»Wer ist der Dragoman?«
»Er sagt, daß er ein Mann aus Koniëh sei, aber das ist nicht wahr. Seine Sprache ist nicht die Sprache der Leute von Koniëh. Er ist ein Lügner und Betrüger.«
»Woraus erkennst Du dies?«
»Er betrügt den Engländer; ich habe das wohl gemerkt, obgleich ich mit dem
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