Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
zu sein; ich machte ihn darauf aufmerksam und bat ihn, diesen Leuten zu zeigen, daß sie wohl ihn zu unterstützen, nicht aber seine Kasse auszubeuten hätten.
Wir passirten zunächst abermals einige kleine Dörfchen, und als sich die Vorhöhen des Antilibanon, hinter denen wir ritten und welche uns immer wieder die Aussicht verdeckten, endlich öffneten, sahen wir das berühmte Thal von Baalbeck vor uns liegen. Die großartigen Massen dieser Ruinen nahmen einen weiten Flächenraum ein, und es gibt wohl kaum eine zweite Ruinenstadt, deren Überreste einen so gewaltigen Eindruck machen, wie diese Mauer- und Gebäudereste.
Gleich beim Eintritte in das Trümmerfeld erblickten wir seitwärts einen Steinbruch, in welchem ein Kalksteinblock von riesenhafter Größe lag. Er hatte gegen dreißig Ellen Länge, sieben Ellen Breite und eine gleiche Dicke. Solche Blöcke bildeten das Material zu den Riesenbauten von Baalbeck. Ein einziger von ihnen hat ein Gewicht von sicher dreißigtausend Centnern. Wie konnten bei der Art der damaligen mechanischen und technischen Hülfsmittel solche Massen dirigirt und bewältigt werden? Das ist ein Räthsel.
Die hiesigen Tempelbauten waren einst dem Baal oder Moloch geweiht; diejenigen, deren Überreste heut noch vorhanden sind, haben ohne allen Zweifel einen römischen Ursprung. Man weiß ja, daß Antonius Pius dem Sonnengotte Zeus hier einen Tempel errichtet habe, der ein Weltwunder gewesen sei. Es scheint, als seien in dem größeren der beiden Tempel die syrischen Götter, in dem kleineren aber nur Baal-Jupiter verehrt worden.
Um diesen Tempel zu errichten, baute man zunächst ein Fundament, welches um fünfzehn Ellen die Erde überragte; darauf kamen drei Schichten jener Riesenblöcke, deren Gewicht soeben angegeben wurde, und dann erst auf ihnen ruhten die kolossalen Säulen, welche die mächtigen Architrave trugen. Die sechs übrig gebliebenen Säulen des einstigen Sonnentempels haben eine Höhe von siebenzig Fuß und am Piedestal einen Durchmesser von sechs Fuß. Der kleine Tempel war 800 Fuß lang und 400 Fuß breit und zählte vierzig Säulen.
Auch die Stadt Baalbeck an und für sich war im Alterthum bedeutend, da sie auf dem Wege von Palmyra nach Sidon lag. Abu Abeïda, der gegen die Christen von Damaskus so menschlich gesinnte Mitkämpe Chalid’s, eroberte auch Baalbeck. Man machte aus der Akropolis eine Citadelle, und aus dem Materiale der zerstörten Tempel errichtete man Befestigungsmauern. Später kamen die Mongolen, dann die Tataren, und was diese übrig ließen, wurde im Jahre 1170 durch ein Erdbeben verwüstet. Was noch vorhanden ist, gewährt eine sehr schwache Idee von der einstigen Pracht und Herrlichkeit.
Jetzt liegt auf der Stätte der alten Sonnenstadt ein elendes Dorf, welches von fanatischen und diebischen Mutawileh-Arabern bewohnt wird, und die Soldaten der Garnison, die hier liegt, tragen bestenfalls nur dazu bei, die Gegend noch unsicherer zu machen.
Ich setzte das Fernrohr an das Auge und überblickte die weite Stätte. Kein Mensch war zu sehen. Wie ich später hörte, waren die Soldaten der Garnison aus eigener Machtvollkommenheit auf beliebige Zeit auf Urlaub gegangen, und die Mutawileh hatten keine Zeit und Lust, uns en masse zu empfangen. Der einzelne Mensch verschwand in diesen kolossalen Trümmern wie eine Ameise, und um den Engländer leichter entdecken zu können,bat ich den Anführer der Khawassen, der den Rang eines Tschausch bekleidete, die Ruinenstätte von seinen Leuten umreiten und nöthigenfalls dann durchsuchen zu lassen, wobei wir ihm helfen wollten. Er weigerte sich indessen, das zu thun, da Menschen und Thiere erst ausruhen und essen müßten.
Dies geschah, aber noch immer machten dann die Herren keine Anstalt, an das Werk zu gehen. Jacub bat und wurde grob; auch ich bat und wurde grob, aber ohne Erfolg. Endlich erklärte der Tschausch ganz offen, daß er nur dann bereit sei, seine Leute auszusenden, wenn er ein angemessenes Bakschisch erhalte. Schon wollte Jacub abermals in die Tasche greifen, aber ich hielt seine Hand zurück.
»Nicht wahr, Du hast diese Männer erhalten, daß sie Dir helfen sollen?« fragte ich ihn.
»Ja,« antwortete er.
»Was hast Du ihnen dafür zu zahlen?«
»Proviant und Fourage und Jedem drei, dem Tschausch aber fünf Piaster täglich.«
»Schön. Das bekommen sie, weil sie Dir dienen; thun sie das nicht, so erhalten sie nichts. Dabei bleibt es, sonst lasse ich Dich sitzen und gehe meine Wege. Du aber
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