Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
er doch endlich nach Hause geeilt und hatte dort zu seinem Erstaunen den Gesuchten unter den Arkaden ruhen gefunden. Jacub hatte erklärt, dem Gehülfen die erwähnte Botschaft gar nicht aufgetragen zu haben. In Folge dessen kehrte Schafei zum Bazar zurück und fand ihn verschlossen. Er öffnete mit dem zweiten Schlüssel, welchen er stets bei sich trug, und sah beim ersten Blick, daß eine ganze Menge und unter ihnen just die größten der Kostbarkeiten verschwunden seien, mit ihnen natürlich Afrak Ben Hulam, der Gehülfe. Er eilte, den Vater zu benachrichtigen, hatte aber trotz seines Schreckens noch so viel Besonnenheit, die Thür wieder zu verschließen und zwei Khawassen als Wächter davor zu postiren. Seine Nachricht hatte natürlich das ganze Haus alarmirt, und als ich mit Halef kam, war er im Begriffe gewesen, wieder fort zu eilen; aber wohin zunächst, das wußte er selbst noch nicht. Auch Jacub wollte fort, um den Dieb vor allen Dingen zu erschießen; aber wo er ihn finden werde, das hatte er sich allerdings noch nicht gefragt.
»Ihr werdet Euch mit Euerer unbesonnenen Eile mehr schaden als nützen,« meinte ich beschwichtigend. »Setzt Euch nieder, und laßt uns ruhig berathen! Ein hastiger Renner ist nicht immer das schnellste Pferd.«
Ich hatte einige Mühe, diese Ansicht durchzubringen, doch gelang es mir endlich.
»Wie groß ist der Werth, welcher entwendet wurde?« erkundigte ich mich.
»Das weiß ich noch nicht genau,« antwortete Schafei, »aber es werden viele, viele Beutel sein.«
»Und Du glaubst, daß wirklich nur Afrak der Dieb sein kann?«
»Nur er allein. Die Botschaft, welche er mir brachte, war erlogen, und nur er allein hatte die Schlüssel und wußte, wo das Werthvollste zu finden war.«
»Gut, so haben wir es nur mit ihm allein zu thun! War er wirklich ein Verwandter von Euch?«
»Ja. Wir hatten ihn zwar niemals gesehen, aber wir wußten, daß er kommen werde, und die Briefe, welche er brachte, waren ächt.«
»War er ein Juwelier, ein Goldarbeiter?«
»Ein sehr geschickter sogar.«
»Kennt er Euere Familien und alle ihre Verhältnisse?«
»Ja, obgleich er sich öfters irrte.«
»Er war gestern auf dem Feste, und Du sagtest, daß er sehr bleich gewesen sei. War er bereits bleich, als er kam, oder wurde er es erst, als er hörte, daß Kara Ben Nemsi Euer Gast sei?«
Schafei blickte überrascht empor.
»Bei Allah, was willst Du damit sagen, Effendi? Ich glaube, er ist erst bleich geworden, als ich ihm von Dir erzählte.«
»Das bringt mich vielleicht auf seine Spur.«
»Effendi, wenn dies wäre!«
»Er erschrack, als er von mir hörte; er kam nicht, als ich das Piano spielte; er schützte eine Krankheit vor, denn er konnte nicht fort, weil ich im Hofe saß und ihn gesehen hätte, und als ich mich dann entfernt hatte, ging auch er. Halef, weißt Du, wer dieser Afrak Ben Hulam ist?«
»Wie kann ich das wissen!« antwortete der Hadschi, welcher uns bis hierher gefolgt war.
»Es ist kein anderer als Dawuhd Arafim, der sich auch Abrahim Mamur genannt hat. Schon gestern Abend kam mir dieser Gedanke, aber er war so sehr unwahrscheinlich, daß ich es nicht glauben mochte. Jetzt aber bin ich beinahe davon überzeugt, daß es kein Anderer gewesen ist.«
Meine Zuhörer waren stumm vor Schreck, und erst nach einer längeren Pause sagte Jacub mit energischem Kopfschütteln:
»Das ist ganz unmöglich, Effendi. Mein Verwandter hat sich niemals Dawuhd Arafim oder Abrahim Mamur genannt und ist auch niemals in Ägypten gewesen. Du hast gestern diesen Mamur hier wiedergesehen?«
»Ja. Ich vergaß, es zu erzählen, weil ich zu viel an die Musik denken mußte. Beschreibe mir Deinen Verwandten und die Kleider, welche er getragen hat, als er gestern zum Feste ritt!«
Dieser Aufforderung wurde mit der größten Genauigkeit nachgekommen; es stimmte, es war Abrahim Mamur und kein Anderer. Aber die beiden Kaufleute wollten dies nicht begreifen.
»Afrak Ben Hulam ist niemals in Ägypten gewesen,« behaupteten sie wiederholt, »und wie käme ein Fremder zu den Briefen, welche er brachte!«
»Dies sind die beiden einzigen unklaren Punkte; aber wie nun, wenn dieser Abrahim dem wirklichen Afrak die Briefe abgenommen hätte?«
»Allah kerihm, dann hätte er ihn ja tödten müssen, um sicher zu sein!«
»Das wird vielleicht noch aufzuklären sein: ich traue diesem Menschen Alles zu. Wir müssen ihn finden; wir müssen ihn wieder haben! Aber nun seht Ihr, daß die ruhige Überlegung doch besser
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