Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Kodscha Pascha zurückgelassen. Wir sattelten nun auch unsere Pferde ab und schafften sie nach und nach zur Stadt. Die Stadt ist klein und hat ein um so verkommeneres Aussehen, als die Ruinen, bei welchen sie steht, imponiren müssen. Die Bewohner treiben ein wenig Seidenzucht und sind außerdem durch ihre schönen Pferde und Maulesel bekannt.
Das Haus des Bürgermeisters war eines der besten Gebäude, und der Stall, in welchen er die Pferde führen ließ, befriedigte unsere Ansprüche vollständig. Wir saßen einige Zeit beisammen, und dann kehrte ich zurück, aber nicht auf dem Wege, welchen ich gekommen war. Ein einzelner Mann konnte dem entflohenen Diebe, falls er ja Spähe hielt, nicht auffällig sein, und darum wanderte ich langsam durch die Ruinen, mich ganz dem Eindrucke überlassend, den sie auf mich machten.
Welch ein Unterschied zwischen dem Geschlechte, das solche Massen zu überwältigen verstand, und demjenigen, dessen Hütten da hinter mir an den Trümmern lehnten!
Jetzt sah ich Schlangen zwischen den Säulen dahinhuschen; ein Chamäleon blickte mich neugierig an, und hoch droben in den Lüften schwebte ein Thurmfalke, der sich in einer Schneckenlinie auf einer der aufrechtstehenden Säulen niederließ. Er horstete da.
Halt, war da drüben nicht eine Gestalt vorübergehuscht, schnell und geschmeidig, wie der Schatten einer Wolke? Es war jedenfalls Täuschung, aber ich schritt langsam der Stelle zu, an welcher ich den Schatten erblickt hatte.
Hinter der Doppelsäule öffnete sich da eine tunnelartige Aushöhlung, welche eine gewisse Neugierde in mir erweckte. Wie mochte es in einem dieser Gänge beschaffen sein, in denen beim Glanze düsterer Fackeln die Opfer Baal’s dahingeschlachtet wurden? Es konnte nicht schaden, einige Schritte in den Gang zu thun. Wenn ich nur so weit ging, als das Licht des Tages reichte, so konnte mir ja unmöglich ein Unglück geschehen.
Ich trat in die Öffnung und that einige Schritte weiter. Der Gang war so breit, daß vier Personen neben einander Platz hatten; die Decke wurde von mächtigen Bogen getragen, und die Luft war rein und vollständig trocken. Ich schaute und horchte in die mächtige Finsterniß hinein, und meine Phantasie malte sich den Schreck aus, welchen ich empfinden müsse, wenn da hinten plötzlich Lichter auftauchten und Sonnendiener hervorbrächen, um mich zu packen und zu den Opfern Moloch’s zu gesellen.
Ich kehrte mich wieder dem Eingange zu. Wie anders da draußen das helle, warme Tageslicht! Im Glanze der Sonne muß – – – halt, knisterte es nicht hinter mir? Ich wollte mich umwenden, erhielt aber in diesem Momente einen fürchterlichen Schlag gegen den Kopf. Ich weiß noch, daß ich taumelte und die Arme nach dem Manne ausstreckte, welcher den Hieb geführt hatte; dann aber wurde es schwarz um mich.
Wie lange ich ohne Besinnung gewesen bin, weiß ich nicht. Sie kehrte zurück, nur langsam und allmälich, denn es bedurfte einiger Zeit, ehe ich mich dessen erinnerte, was mit mir geschehen sei. Ich lag an der Erde; meine Füße waren zusammengebunden und meine Hände auch. Wo befand ich mich? Es herrschte das tiefste Dunkel und Schweigen um mich her; aber da, grad vor mir, erblickte ich zwei kleine, runde Stellen, welche einen eigenthümlichen Schimmer hatten, der von Augenblick zu Augenblick verschwand und wieder erschien. Das waren zwei Augen, zweischarf auf mich gerichtete Augen, über welchen sich die Lider öffneten und schlossen. Sie gehörten keinem Thiere, sondern einem Menschen an; das merkte ich.
Wer war der Mann? Jedenfalls doch der, welcher mir den Schlag versetzt hatte. Warum hatte er mich so feindlich behandelt? Eben wollte ich eine Frage aussprechen, als ich daran verhindert wurde; der Mann redete selbst.
»Ah, endlich bist Du wieder wach! Nun kann ich mit Dir sprechen.«
Himmel! Diese Stimme kannte ich! Wer sie einmal gehört hatte, der vergaß den kalten, scharfen, spitzen Ton derselben sicher nicht wieder. Der Mensch, welcher mir hier gegenüber saß, war kein Anderer als Abrahim Mamur, den wir fangen wollten. Sollte ich ihm antworten? Warum nicht? Hier im Finstern war es ja gar nicht möglich, ihm durch die Miene zu zeigen, daß ich nicht aus Furcht, sondern aus Verachtung schweige. Daß mich nichts Gutes erwarte, das wußte ich; aber ich verzagte dennoch nicht und beschloß, ihm nicht ein einziges bittendes Wort zu sagen. »Nun kann ich mit Dir sprechen!« hatte er gesagt, und ich ahnte, daß er jetzt Alles
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