Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
beiden Langseiten und die hintere Breitseite wurden von drei holzschuppenähnlichen Gebäuden gebildet, welche sich schon im letzten Stadium des Verfalles befanden. Rechts und links von der Hofthür führte je ein Eingang in die zwei Parterreseiten, die aber nur schmale Löcher sein konnten; zum Oberstocke kam man auf einer halbfaulen Holztreppe, welcher von den dreizehn Stufen, die sie ursprünglich besessen hatte, sechs verloren gegangen waren.
Der Hofraum bildete eine einzige große Schlammpfütze, die aber zur Zeit von der Sonne ausgetrocknet und in eine feste, brüchige Masse verwandelt worden war. In derselben klebte ein unförmlicher Holzklotz, dessen Bestimmung unmöglich zu errathen war, und auf diesem räthselhaften Klotz saß ein Ding, welches mir noch viel räthselhafter gewesen wäre, wenn es nicht einen alten, schmierigen Tschibuk geraucht hätte. Das Ding hatte nämlich Kugelform und war in einen viel zerrissenen Kaftan gewickelt; auf dieser Kugel lag ein früher vielleicht blau oder meinetwegen auch roth gewesener Turban, und zwischen Kugel und Turban stahl sich eine, wie es schien, menschliche Nase und der soeben erwähnte Tschibuk hervor. Die Nase war nicht viel kürzer als die Pfeife.
Bei unserm Anblick stieß das igelartig zusammengerollte Wesen ein Grunzen aus, das halb behaglich, halb aber auch feindselig klang, und traf Anstalt, sich aus dem Kaftan zu wickeln.
»Sallam!« grüßte ich.
»Ssssss – – hmmm!« zischte und brummte es als Antwort.
»Dieses Haus ist zu vermiethen?«
In einem Nu kollerte die Gestalt von dem Klotz herunter und richtete sich dann nach menschlicher Weise auf.
»Ja, jawohl, allerdings, sofort zu vermiethen! Schönes Haus, herrliches Haus, prächtige Wohnung, fast für einen Pascha zu gut, Alles beinahe ganz neu! Wollen Sie sich das Haus ansehen, Hoheit?«
Das Alles kam jetzt auf einmal so schnell und hastig heraus wie aus dem Speiteufel einer Schrotmühle. Man sah, als Abmiether waren wir dem Manne ebenso willkommen, wie wir ihm in jeder anderen Beziehung unwillkommen gewesen wären. Es war ein Jude, der jetzt in seiner ganzen patriarchalischen Glorie vor uns stand, denn Alles an ihm schien auf ein paar tausend Jahre zurückzuweisen. Er war klein, sehr klein, aber desto dicker. Man sah an ihm nichts als ein Paar Strohpantoffel, den Kaftan, den Turban, die Nase und die Pfeife, aber das Alles, außerder Nase natürlich, schien bereits zu Methusalem’s Zeiten in Gebrauch gewesen zu sein. Aus den Pantoffeln blickten alle zehn Zehen in rührender Eintracht hervor; der Kaftan war kein Zeug mehr, sondern nur noch Schmutz; der Turban hatte das Aussehen einer ungeheuren, runzeligen Backpflaume, und die Pfeife war nach und nach vorn so abgebissen worden, daß nur noch der Kopf übrig geblieben war, in welchen der glückliche Besitzer anstatt des Rohres einen hohlen Geierknochen gesteckt hatte; der war nicht so leicht durchzubeißen. Übrigens hatte der Kaftan keine Ärmel mehr, und die Ängstlichkeit, mit welcher ihn der Mann zusammengeschlagen und den Kragen emporgezogen hielt, ließ vermuthen, daß er die einzige Bedeckung des Vermiethers bilde.
Der Mann hatte mich ›Sie‹ genannt; ich gab ihm natürlich dasselbe Prädikat:
»Sind Sie der Besitzer dieses Hauses?«
»Nein, aber Hoheit kann versichert sein, daß ich trotzdem nicht zu den armen, verkommenen –«
»Bitte,« unterbrach ich ihn, »beantworten Sie mir meine Fragen so kurz wie möglich! Wem gehört das Haus?«
»Dem reichen Furundschi Mohammad in Khassim Pascha; er hat es geerbt.«
»Und was thun Sie hier?«
»Ich muß es bewachen und soll warten, ob ein Miether kommt.«
»Was bekommen Sie dafür?«
»Täglich einen Piaster und für einen halben Piaster Brod.«
»Das Haus ist unbewohnt?«
»Ja; ich wohne hier nebenan.«
»Wie viel Miethzins verlangt der Bäcker?«
»Für die Woche zehn Piaster, welche vorausbezahlt werden müssen.«
»Zeigen Sie uns die Räume!«
Er öffnete zunächst die beiden Pforten der Parterreseiten; wir erblickten zwei kellerartige Höhlen, in denen sich nichts als Schmutz und Ungeziefer befand. Dann kletterten wir zur Treppe empor und gelangten in drei Stuben, von denen ich die erste einen Taubenschlag, die zweite einen Hühnerstall und die dritte eine Kaninchenhöhle hätte nennen mögen.
»Hier ist das Selamlik, hier die Wohnstube und hier das Harem,« erklärte er mit solcher Gravität, als habe er uns ein fürstliches Palais zu zeigen.
»Gut! Was enthalten die
Weitere Kostenlose Bücher