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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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meinerseits hatte ihm auf ganz unzweideutige Weise Schweigen geboten. Ein höflicher Gruß einem Franken gegenüber dünkte ihm wohl gar nicht nöthig, und so hatte ich große Lust, ihm zu zeigen, daß auch ein Christ an Achtung gewöhnt sein kann.
    Er stand noch an der Thür. Halef brachte das Kissen und legte es ihm grad vor die Füße; dann verließ er den Raum. Es war ein wirkliches Schauspiel, das Gesicht des Jüsbaschi zu beobachten, in welchem Empörung, Erstaunen und Scham um die Herrschaft rangen. Er fügte sich aber doch in das Unvermeidliche und ließ sich nieder. Es mußte den stolzen Moslem eine bedeutende Überwindung kosten, bei einem Christen nur an der Thür Platz zu nehmen.
    Bei der orientalischen Art und Weise, stets kochendes Wasser für den Kaffee über dem Feuer zu haben, dauerte es nur sehr kurze Zeit, bis Halef ihm eine Tasse des Getränkes und Feuer brachte. Er nahm beides, trank den Kaffee und ließ sich die Pfeife anbrennen. Halef blieb hinter ihm stehen, und nun konnte die Unterhaltung beginnen.
    »Mein Sohn,« begann ich in väterlich freundlichem Tone, obgleich das Wort eigenthümlich klingen mußte, da ich auch nicht älter war, als er selbst; »mein Sohn, ich ersuche Dich, Dir Einiges zu merken, was mein Mund Dir zu sagen hat. Wenn man die Wohnung eines Bilidschi betritt, so sagt man ihm einen Gruß, sonst wird man entweder für stumm oder für unwissend gehalten. Auch darf man die Rede nie zuerst beginnen, sondern muß warten, bis man angesprochen wird, denn der Hausherr hat das Recht, das Zeichen zum Beginn zu geben. Wer einen Andern beurtheilt, ohne ihn vorher kennen gelernt zu haben, der wird sich sehr viel irren, und vom Irrthum ist oft nur ein kleiner Schritt zur Demüthigung. Du wirst meine gut gemeinten Worte dankbar beherzigen, denn die Erfahrung hat die Pflicht, die Jugend zu belehren. Und nun magst Du mir sagen, welche Bitte Du auszusprechen hast!«
    Der Mann hatte die Pfeife sinken lassen und öffnete den Mund vor Erstaunen über mein Verhalten. Jetzt aber platzte er rasch los:
    »Es ist keine Bitte, sondern ein Befehl, welchen ich Dir bringe!«
    »Ein Befehl? Mein Sohn, es ist sehr vortheilhaft, langsam zu sprechen, denn nur auf diese Weise vermeidet man es, Dinge zu sagen, welche man nicht überlegt hat! Ich kenne in Stambul keinen Menschen, der mir zu gebieten hätte. Du meinstwohl, daß Du selbst einen Befehl erhalten hast und in Folge dessen zu mir kommst, denn Du bist ein Untergebener, ich aber bin ein freier Mann. Wer sendet Dich zu mir?«
    »Der Mann, welcher uns gestern kommandirte.«
    »Du meinst den Mir Alai – –?«
    Ich fügte den Namen hinzu, welchen ich gestern von dem Soldaten erfahren hatte. Der Jüsbaschi machte eine Bewegung der Bestürzung und rief:
    »Du kennst ihn und seinen Namen?«
    »Wie Du hörst! Hat er einen Wunsch an mich?«
    »Ich soll Dir befehlen, nicht nach ihm zu forschen und von der gestrigen Begebenheit zu keinem Menschen zu sprechen.«
    »Ich habe Dir bereits gesagt, daß mir Niemand etwas zu befehlen hat. Sage dem Mir Alai, daß die Begebenheit in der nächsten Nummer des Bassiret erscheinen wird! Da ich keine Befehle entgegennehmen kann, so ist unsere Unterredung beendet.«
    Ich erhob mich und ging in das Nebenzimmer. Der Jüsbaschi aber vergaß vor Erstaunen sowohl das Sprechen als auch das Aufstehen, und erst nach einer ganzen Weile kam Halef, um mir zu melden, daß der Besuch mit einigen kräftigen Flüchen verschwunden sei.
    Es war für gewiß anzunehmen, daß der Mir Alai sofort wieder schicken werde; ich fühlte aber keine Verpflichtung, auf seinen Boten zu warten, und rüstete mich zum Ausgehen. Mein Weg war nach dem Derwischkloster gerichtet, wo ich mit Ali Manach sprechen wollte. Ich fand ihn, wie gestern, in seiner Zelle, wo er saß und betete. Als er mich grüßen hörte, blickte er auf, und seiner Miene nach schien mein Besuch ihm nicht unangenehm zu sein.
    »Sallam!« dankte er. »Bringst Du vielleicht wieder eine Gabe?«
    »Ich weiß es noch nicht. Wie soll ich Dich nennen, Ali Manach Ben Barud al Amasat oder el Nassr?«
    Mit einem schnellen Sprunge war er vom Divan empor und stand ganz nahe vor mir.
    »Pst! Schweige hier!« raunte er mir ängstlich zu. »Gehe hinaus auf den Friedhof; ich werde in kurzer Zeit nachkommen!«
    Ich ahnte, daß ich gewonnenes Spiel hatte; freilich mußte ich mir auch eingestehen, daß ich mich auf einige diplomatische Gesprächswendungen einrichten müsse, wenn ich mich nicht verrathen

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