Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Tribut.
Auch einige der untersten thierischen Wesen vermögen der Erde noch nicht zu entfliehen, aber während selbst den freien Theilen der Pflanze jede Willkür mangelt, ist ihnen schon diejenige Selbstständigkeit der Bewegung geschenkt, welche ihnen erlaubt, dem Instincte der Erhaltung und Vermehrung zu folgen. Und in diesem Instincte ist dasjenige unbestimmbare Prinzip zu erkennen, welches sich durch seine Herrschaft über den Körper später als thierische Seele offenbart und als Geist im Menschen die höchste Stufe seiner Entwickelung erreicht.
Der Uebergang aus dem Pflanzenreiche in das Thierreich ist nicht ein plötzlicher und unvorbereiteter, sondern wie wir gesehen haben, daß es Pflanzen giebt, die ein Wachen und Schlafen, ja sogar eine Empfindung zu haben scheinen, so giebt es auch Thiere, welche wachsen und sich vervielfältigen wie die Pflanzen, Thiere, die man lange nur für Pflanzen gehalten hat und die es in der That doch nicht sind. Aber ist dieser Uebergang einmal geschehen, so eilt die Organisation auch mit raschen Schritten durch die zahlreichen Classen der animalischen Welt bis an jene Grenze, an welcher die Wissenschaft die Frage aufwirft: »Nun sage, Mensch, woher Du stammst!«
So stolz wir selbstgefälligen Menschenkinder auf unsere wissenschaftlichen Eroberungen sein zu müssen glauben, es ist doch nur eine geringe Tiefe, bis zu welcher wir in den »Reichthum beides, der Weisheit und Erkenntniß Gottes« eingedrungen sind. Während das Große, das Augenfällige zumeist und vor allen Dingen unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, vollziehen sich in unserer unmittelbaren Nähe, ja an uns selbst, tausend Wunder, welche wir nicht beachten, weil sie uns alltäglich erscheinen oder zu ihrer Betrachtung einer Bewaffnung unserer Sinneswerkzeuge bedürfen. Und doch ist das Kleine im Haushalte der Natur von unendlich höherer Bedeutung als das Große; denn das Letztere baut sich aus dem Ersteren auf und entnimmt nur ihm die Mittel seines Fortbestandes.
So auch im Leben der Thiere.
Elephanten, Nashörner, Flußpferde, Löwen, Tiger, Riesenschlangen, Krokodile, sie, die Riesen und »Helden« des Thierreiches, sind aller Welt bekannt, und hunderte von Menagerien und zoologischen Gärten bemühen sich, die Kenntniß über sie zu verbreiten, aber
»der Käber und dat Würmelein«
und all’ die »Thierikens«, deren Dasein nur mittelst der Loupe zu bestimmen ist, finden wenig Gnade vor den Augen des großen Publikums, obgleich auch hier die Behauptung gilt, daß das »schlichte Heldenthum« oft höheren Werth in sich berge, als die »große Reckenthat.« Was ist die Kraft des Elephanten, der Muth des Löwen und die Kühnheit des Tigers gegen die Arbeit der kleinen Koralle, welche ganze Inseln und Inselgruppen aus der Tiefe des Meeres emporhebt? Welches andere Thier, und wäre es noch so riesengroß, kann seine Muskelkraft mit derjenigen des Floh’s messen, welcher mehrere Hundert mal höher springt, als er selber ist? Selbst der mit 4000 dolchähnlichen Zähnen gespickte Rachen eines Riesenhaifisches muß verlieren bei einem Vergleiche mit den Freßwerkzeugen jener winzig kleinen Insecten, welche sich in die gigantischen Stämme der Deakwälder einbohren und das eisenfeste Holz zu Staub und Mehl zermalmen.
Und von welch hoher Bedeutung sind all die kleinen, mikroskopischen Thierformen, deren Kenntniß wir erst der neueren Zeit verdanken, für die Architektur des himmlischen Baumeisters!
In einem einzigen Tropfen Wasser schwimmen viele Tausende von Infusorien, und das höchste organische Geschöpf, der Mensch, beherbergt in seinen Eingeweiden, in seiner Haut, seinen Haaren, im Schleim, der an seinen Zähnen haftet, in dem Blute, das ihm durch die Adern rollt, unzählbare lebende Wesen. Sein Leib ist für Millionen verschiedener und fast unentdeckbarer Geschöpfe eine große wandelnde Welt, wie der ganze Erdball für die Völker des menschlichen Geschlechtes es ist. Sein Sterben und das Verwesen seines Leichnams ist nur der Augenblick, an welchem sich sein Fleisch und Blut wieder in neue Thierarten verwandelt, und selbst in größere, dem bloßen Auge sichtbare Geschöpfe, deren erste Stoffe, Keime und Eier er in sich getragen, ohne eine Ahnung davon zu haben.
Auf dem Grunde des Meeres und der süßen Gewässer bilden die winzigen Foraminiferen mächtige Ablagerungen; ebenso sind viele ausgedehnte Bodenschichten des Festlandes, zum Theil die festesten Felsen, aus ihnen entstanden. In
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