Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
nüchternen Erwerbes knüpft und dabei oft der Liebe vergißt, die den Keim belebt, die Halme lockt und die Früchte schwellt. Erinnert doch grad’ dieses Wort an den größesten und häßlichsten Gegensatz der Liebe, welcher seine Opfer unter dröhnendem Rossesstampfen und brüllendem Kanonendonner auf dem »Schlachtfelde« in »des Todes blutige Rosen« bettet.
Wie über das Feld, so wirft auch über den Wald die Dichtung ihren verklärenden Schimmer, und das magische Dunkel, über welches sich die dichten Wipfel legen, ist ganz geeignet zur Herberge für das Märchen, welches, sinnend im weichen Moose liegend, seine Träume um die schlanken Stämme spinnt, daß sie sich emporranken in das flüsternde Gezweig und vom Waldesduft hinausgetragen werden in das Sonnengold, um sich beim Glanz der Sterne niederzusenken an das lauschende Ohr der Menschenkinder.
Mit fliegender Mähne und schäumenden Lenden, mit dem gewaltigen Gehörn das wirre Buschwerk zerfetzend, rast das riesige Elenn dahin, auf welchem der Woodlandsghost, der Geist der wilden Prairie, durch die Wälder des nordamerikanischen Westens saust. Vor ihm her jagen die lechzenden Geister derjenigen Rothhäute, welche vor den Bleichgesichtern flohen, und hinter ihm folgen auf feuerschnaubenden Rossen die Seelen der Weißen, welche unter den Streichen des Tomahawk fielen.
Ueber die Wälder Deutschlands braust der wilde Jäger mit seinem brüllenden, schreienden, heulenden und kläffenden Gefolge; in den dunklen Schluchten des Riesengebirges treibt Rübezahl sein Wesen; in den Alpenforsten des Waadtlandes haust ein Geist, welcher den Menschen bald als Grabbi (Geizhals), bald als Bita crotzé (Klauenthier), als Niton (Schalk), Tamai (Waldmensch), Osé (Vogel) oder Tofron (Landstreicher) erscheint. In den Wäldern Vorderasiens versteckt sich der riesige Scheidan; den Himalaya machen Tausende von Tschin’s unsicher; auf Madagaskar dreht Mahao, die Zauberin, die stärksten Bäume zusammen und spinnt sie zu Flachs für ihr Hemde; auf den schottischen Bergen klagt der Geist Fingals um seine Tochter; jeder Wald hat seine Geschichte, seine Sage, seine gespenstische Bevölkerung, welche gut oder bös ist, das Licht oder das Dunkel liebt, je nach der Physiognomie, die ihm eigenthümlich ist.
Denn auch der Wald hat seinen Character, seine individuellen Eigenthümlichkeiten und läßt aus diesem Grunde sehr wohl eine Personification zu.
»Wer hat dich, du schöner Wald,
Aufgebaut so hoch da droben?
Wohl den Meister will ich loben,
So lang noch mein’ Stimm’ erschallt!«
gilt dem Hochwalde, dessen dunkles Getann mit sei nen Wurzeln sich an die steilsten Felsenklüfte klammert und die vom Sturme zerrissenen Gipfel hoch in das Glühen der Alpen taucht. Dort hinauf dringt nur selten ein schwacher Laut des tief unten wogenden Lebens und nur der scharfe Knall der Büchse bringt unwillkommene Kunde von der Feindschaft, mit welcher die irdischen Geschöpfe sich bekämpfen. Ist’s ein Wunder, daß er diesen Geschöpfen seine strengste, düsterste Miene zeigt und sie mit seinen stürzenden Felsen und Fluthen von sich abzuweisen sucht?
»Ade, Du liebes Waldesgrün, ade!
Ihr Blümlein mögt noch lange blühn, ade!
Mögt andre Wandrer noch erfreun
Und ihnen Eure Düfte weihn, ade!«
gilt einem ganz anderen Walde, dem Laubwalde, welcher seine Eichen- und Buchenstämme in den Boden des Unterlandes gründet und das lebendige und bewegliche Grün seiner Blätter nur hier und da mit einer Gruppe dunkler Nadelhölzer schattirt. Da breitet ein blumenreicher Teppich sich unter den kühlenden Laubkronen aus, der Strahl der Sonne umsäumt die zitternden und flüsternden Blätter mit purpurnen, goldenen und silbernen Rändern, und farbige Schimmer zucken und blitzen durch das Geäst. Hier hat das »Eichkätzerl«, das possirliche, seine eigentliche Heimath, metallisch glänzende Käfer summen unter der hohen Wölbung dahin, leichte Falter schlagen die zartbeschuppten Flügel, und draußen am Rande, wenn das Abendroth am Himmel verglüthe, erhebt die Nachtigall ihre bald süß klagende, bald selig jubelnde Stimme.
Da droben im Hochwalde färbt sich der See mit tiefdunklen Tönen und finstere Schatten schauen aus seiner Fluth. Es ist, als wohne der Tod auf seinem Grunde und in der Kälte seiner Wasser müsse jedes Leben, jede Bewegung ersterben. Hier unten aber umsäumt sich das Ufer mit heiterem Grün, flimmerndes Licht vibrirt über der wallenden Fläche,
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