Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
der Steinkohlenformation Rußlands an den Ufern der Dwina hat man ungeheure Bergkalklager gefunden, welche aus ihnen bestehen. Der Grobkalk des Pariser Beckens, der Kalksand an den verschiedensten Meeren, der Schlamm vieler Häfen, ganze Gebirgsschichten haben sich aus ihnen gebildet. Der nordwestliche Theil von Berlin, die sogenannte Friedrich-Wilhelmsstadt (Louisenstraße, Carlsstraße), steht auf einer Schicht von zum Theil noch lebenden Infusorien, und es ist dadurch der Einsturz mehrerer neugebauter Häuser herbeigeführt worden, weil die Baumeister es versäumt hatten, den Baugrund genau zu untersuchen. Diese Schicht ist 15 bis 100 Fuß mächtig, und welche Menge solcher Thiere zu ihrer Bildung gehörten, läßt sich aus der Angabe ersehen, daß erst 41000000000 einen Kubikzoll Erde bilden. Die nach oben weiße, nach unten graue Erde am Südrande der Lüneburger Haide bei Ebsdorf, 28 Fuß mächtig, das kreideähnliche Gestein bei Jastraba in Ungarn, 14 Fuß mächtig, die Bergmehlschichten bei Bagnola in Toskana, 10 Fuß mächtig, verdanken ihnen ihre Entstehung. Auch die Erde, welche gewisse wilde Völker essen, ist nichts Anderes als Infusorienerde. Sogar in der Luft sind diese Thiere zu finden. Wenn der Seefahrer bei der Rückkehr aus Indien oder vom Cap der guten Hoffnung auf dem Wege nach Europa ungefähr den 20. Grad nördlicher Breite schneidet, so sieht er nicht selten die Segel seines Schiffes sich mit einem feinen Staube bedecken, den er Passatstaub nennt, weil ihn der in diesen Gegenden herrschende Passatwind herbeigeführt hat. Dieser Staub kommt aus Afrika und zeigt sich bei mikroskopischer Betrachtung als nur aus Infusionsthierchen bestehend. Ebenso verhält es sich auch mit derjenigen Erscheinung, welche man Staubnebel, Meteorstaub, Staubregen u.s.w. nennt und auch zuweilen bei uns, mehr aber noch im südlichen Europa bemerkt wird.
Von diesen nur durch das Glas erkennbaren Thieren bis hinauf zu dem oft über 200 Centner schweren Walfische hat ein jedes seine eigene Aufgabe zu erfüllen und kehrt dann wieder in seine Urbestandtheile zurück.
»Wozu sind die Myriaden von häßlichen Würmern, die lästigen Insecten, das schmarotzende Ungeziefer, die schleichenden und reißenden Thiere da, welche mit Wollust in dem Leben ihrer Mitgeschöpfe wühlen?« fragt da der Zweifler oder der Wißbegierige. Alle jene, trotz der vorgeschrittenen Cultur noch so zahlreichen und oft weit ausgedehnten Erdlager, welche der Pflug noch nicht berührte, wären vielleicht schon längst steinartig verhärtet, wenn sie nicht alljährlich durch Legionen von Würmern, Käfern, Schnecken und anderen Thieren durchwühlt und aufgelockert würden. Die unterirdischen, vielfach gewundenen Gänge, Zellen und Behausungen dieser kleinen Geschöpfe sind ebenso viele künstlich gebaute Kanäle, durch welche der befruchtende Regen in den tiefen Grund dringt und die Luft den Wurzeln neue Nahrungsstoffe zuführt. Gott hat Alles weiser geordnet, als der Sterbliche kennt und begreift. Wo der Mensch Störungen seiner eigenen Absichten oder Fehler in der Naturordnung beklagen zu müssen glaubt, ist ihm ohne sein Wissen und Verstehen eine Wohlthat geschehen, deren segensvolle Folgen sich auf die Zeitdauer von vielen Jahren erstrecken, um den etwaigen augenblicklichen Schaden tausendfach zu ersetzen. Ebenso ist der Dank, welchen der Mensch dem sogenannten Ungeziefer und den fleischfressenden Thieren schuldet, kein geringer. Diese Geschöpfe haben im Naturstaate die Sanitätspolizei zu führen. Wo der Mensch durch Nachlässigkeit und Mangel an der nöthigen Reinlichkeit im Begriffe steht, seiner Gesundheit zu schaden, da wird er durch die sofort auftauchenden Wohlfahrtspolizisten gezwungen, das zu thun, was er zu seinem eigenen Schaden unterließ. Ist dieser Zweck erreicht, so verschwinden die kleinen kribbelnden, krabbelnden, zwickenden, stechenden und beißenden Detectives wieder, indem sie das Gelingen ihrer Sendung mit dem Märtyrertod besiegeln. Friede ihrer Asche!
Bei dem endlosen Entstehen und Vergehen im Reiche des irdischen Lebens, vermittelt durch die Prozesse des Verdorrens, Verwittern und Verfaulens, würde sich in kurzer Zeit eine Menge in Auflösung begriffener organischer Körper ansammeln, die in Folge der ihnen entströmenden schädlichen Gase wahre Brutstätten von Epidemieen bilden müßten, deren traurige Folge der Tod alles Lebenden wäre. Hier hat nun die allweise Vorsehung eine außerordentlich zahlreiche Rettungsschaar
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