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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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süßen Nichtsthuns, lebten aus der Tasche Anderer und mußten moralisch als die Verbreiter von Gesinnungen genannt werden, welche mit der Zucht und Sitte nicht im Einklange stehen.
    In der sittlichen Verkommung kann niemals eine Poesie liegen, und wer will es wohl wagen, das gigantische Ringen der jetzigen Zeit, den selbst die gewaltigsten Hindernisse überwältigenden, stolzen Flug des alle Versäumniß hassenden Menschengeistes poesielos zu nennen? Unsere Ströme werden schiffbar und tiefer, unsere Straßen breiter und kürzer, unser Jahrhundert schlendert nicht, nein, es rauscht auf den Fittichen des Dampfes seinen Zielen zu, und einem Jeden gilt der Mahnruf: »Rasch einsteigen, die Glocke hat zum dritten Male geläutet!«
    7.
     
    Stadt und Land
     
    »Wohl dem Manne, welchem es gelang, im Kreise seiner Mitbürger festen Fuß zu fassen; er hat sich aus der Brandung des Lebens gerettet auf den sichern Felsen eines heimathlichen Herdes!«
    B. Franklin.
     
    Der Vergleich des Lebens mit einer Brandung hat seine volle Berechtigung. Die gewaltigen Wogen der Zeit umrauschen den winzigen Planeten, welcher auf seiner zerbrechlichen Kruste das Volk der Menschen trägt; sie thürmen sich hoch empor an den Grenzen des irdischen Lebens, lecken und nagen an der trügerischen Festigkeit alles Bestehenden und lassen ihre Donner über den ganzen Kreis der Erde erschallen. Jahre, Monden, Wochen, Tage und Stunden fluthen in endlosem Drange über die Scene und wälzen aus ihren unergründlichen Tiefen jene zusammenhängende Reihe von Ereignissen an die Sonne, welche den Inhalt und Gegenstand der Geschichte bilden. Das gährt und treibt, das wallt und gebährt, das kocht und sprudelt, das spritzt und zischt, und kein einziger dieser Tropfen ist ohne Inhalt, jede dieser Wogen birgt ihre Thatsachen, und unerforschliche Gesetze geben dem scheinbar Getrennten und Beziehungslosen innigen Zusammenhang.
    Wie in der Brandung eine Welle die andere verdrängt, eine Woge mit der andern kämpft, so zeigt auch das Leben einen nicht endenden Kampf des Nahenden mit dem Verschwindenden, des Zukünftigen mit dem Bestehenden, des Einen mit dem Anderen. Nur der Geist hat eine ewige Berechtigung, das Körperliche, das von ihm Geschaffene und ihm Unterthänige darf nur für diejenige kurze Zeit bestehen, welche zu seiner Reife erforderlich ist und muß nach erfülltem Zwecke verschwinden, um neuen fruchtbaren Erscheinungen Platz zu machen. Im Branden thürmen sich die Wasser, im Ringen wächst die Kraft, und wie die gestaltlose Zeit selbst die festesten Welten zerbröckelt, so schreitet auch in dem Turniere zwischen Stoff und Idee, zwischen Körper und Geist der letztere von einem Siege zum anderen und unterwirft sich wie spielend physische Kräfte, deren Bezwingung unmöglich zu sein schien.
    Dieser Alles bewältigende Geist hat seine siegreiche Macht nur einem einzigen irdischen Wesen, dem Menschen, verliehen und ihm damit die hohe Aufgabe ertheilt, das Todte zu beleben, das Formlose zu gestalten, das Starre zu bewegen und den Triumph des Gedankens über Land und Meer zu tragen. So wird der Mensch der Held der irdischen Schöpfung, obgleich er äußerlich nicht für dieses Heldenthum ausgestattet zu sein scheint. Für den Krieg der Geschöpfe gegen einander ist fast jedes derselben mit einer Waffe ausgestattet worden, welche sich entweder für den Angriff, die Vertheidigung oder auch zu beiden zugleich eignet. Der Löwe hat seine Pranken, der Bär seine Tatzen, der Elephant seine Klugheit und Stärke, der Affe seine Gelenkigkeit, der Fuchs seine List, der Stier seine Hörner, der Hirsch seine flüchtigen Läufe, das Krokodil, der Hai seinen fürchterlichen Rachen, der Vogel seine Schwingen, die Schlange ihr Gift, der Krebs seine Schere, die Muschel ihr schützendes Gehäuse, und selbst diejenigen Thiere, denen eine Waffe zu fehlen scheint oder auch wirklich fehlt, werden durch ihre Farbe und Aehnliches vor Gefahr oder durch hohe Fruchtbarkeit vor dem Aussterben geschützt. Jedenfalls aber steht keines derselben unter einer so langjährigen Hilfsbedürftigkeit, wie diejenige ist, mit welcher das menschliche Kind auf die unausgesetzte elterliche Pflege und Bevormundung angewiesen wird.
    Es ist ein weiter und schwieriger Weg von dem lallenden Wickelkinde bis zum stolzen »Herrn der Schöpfung«, und nur durch unausgesetzte Anstrengung des Geistes führt er zum Ziele. Der Einzelne kann ihn unmöglich selbstständig zurücklegen; er ist an die Hilfe, die

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