Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Erstlinge von allen Naturproducten warf, und dann gab Jeder, der die Stadt beziehen wollte, eine Handvoll Erde seines Heimathslandes hinein. Darauf spannte der Gründer einen weißen Stier rechts und eine weiße Kuh links an einen Pflug und zog in einem Vierecke eine ununterbrochene und gleichmäßig fortlaufende Furche, wobei er die Schollen nach inwendig warf, deren Anhäufung die zu erbauende Mauer und deren Vertiefung den Graben vorbildete. Wo ein Thor stehen sollte, wurde der Pflug aufgehoben und über die Stelle weggetragen.
In Deutschland, besonders dem westlichen, entstanden schon frühzeitig Städte aus den römischen Lagern und Castellen. Im östlichen Deutschland entstanden die meisten Städte zur Zeit Heinrichs des Voglers, welcher den je neunten Mann aller wehrhaften Leute von den Landbauern trennte und zur Anlegung und Erhaltung von Städten bestimmte, um bei den Einfällen der Ungarn und Slaven Zufluchtsorte zu besitzen. Dieser weisen Einrichtung verdankte der nun besondere Stand der Städter seine Entstehung.
Später, im elften Jahrhunderte, gewannen die Städte durch republikanische Verfassung, Handel und Ordnung ein hohes Ansehen. Dies erregte die Eifersucht des Adels, der außer- oder sogar auch innerhalb der Städte besondere Befestigungen bewohnte, und so entspannen sich bald blutige Fehden zwischen Adel und Städten. Dies gab Veranlassung zu größeren Vereinigungen von Städten zum Zwecke gegenseitiger Hilfe. Das erste Beispiel hiervon gab der Bund der lombardischen Städte, welche sogar den deutschen Kaisern furchtbar wurde. Ihm folgte der rheinische Städtebund und der Bund der schwäbischen Städte.
Der mächtigste dieser Bunde war die Hansa, zu welcher die Länder der Nord- und Ostsee, des Rheins, Westphalen, Niedersachsen und Preußen ihre Contingente lieferten. Sie umfaßte nach und nach von der Schelde bis nach Esthland 85 Städte und konnte es wagen, mit mächtigen Reichen Krieg zu führen. Sie besiegte Dänemark und Norwegen, gab ihre Macht dem Könige von Frankreich zu fühlen, eroberte mit 100 Schiffen Lissabon, zwang England, den Frieden mit ihr mit 10000 Pfund Sterling zu erkaufen und hatte sogar die Macht, den König Magnus von Schweden abzusetzen.
Während dieser Vereine gewann das Ansehen der Städte so, daß sie mit zur Berathung der Stände zum Besten des Landes gezogen wurden. Später bildeten die größeren Städte fast den einzigen Besitz des Kaisers; die größeren Landesbesitzer machten sich zu unabhängigen Fürsten und zogen mittelst Politik oder der Gewalt der Waffen und des Geldes die Städte in ihren Besitz.
Wie das Schicksal der Pflanze, des Thieres und auch des Menschen zum großen Theile abhängig ist von dem Boden, dem sie angehören, so wird auch das Gedeihen menschlicher Niederlassungen wesentlich mitbedingt von der Lage, die sie einnehmen, und den Verhältnissen, unter denen sie errichtet werden. Während es Tausende von Dörfern, Flecken und Städten giebt, welche Jahrhunderte hindurch ihren Umfang nicht vergrößert, ihr Ansehen nicht verändert haben und sich vollständig gleich geblieben sind, wachsen an anderen Orten kleine, anfänglich unbedeutende Ansiedelungen mit ungewöhnlicher Geschwindigkeit zu großen, reichbevölkerten Städten empor und lassen schon nach wenig Jahren das Bild ihres anfänglichen Bestehens nicht mehr erkennen. Worin liegt der Grund?
Bei den unsicheren Verhältnissen der Vergangenheit war der Schutz gegen feindselige Uebergriffe einer der Hauptgesichtspunkte, welche man bei dem Baue der Wohnstätte in das Auge nahm. Der Ritter errichtete seine festen Schlösser und Burgen auf den Spitzen steiler, unzugänglicher Berge; der Städter erbaute seine Häuser ebenso an einem möglichst geschützten Orte und sorgte noch außerdem durch Anlegung von starken Mauern und breiten Gräben für seine Sicherheit. Der Bewohner des platten Landes legte seine Wohnung so, daß er durch Sumpf und Moor, durch dichte Waldung oder sonstige Terrainbeschaffenheiten von Anderen möglichst abgeschlossen war und eine Schädigung an Leib und Leben, an Gut und Habe nicht zu fürchten hatte. Sie alle sorgten vor allen Dingen für ihre Sicherheit und suchten dieselbe durch die örtliche Abschließung von der Außenwelt zu erlangen.
Der Hufschlag gepanzerter Rosse ist verhallt, Harnisch und Sturmhaube rosten unter eingefallenen Mauern, in den grasbewachsenen Burghöfen schleicht die Unke und nistet die Eule, und die kräftige Faust hat längst den eisernen
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